Muslime fordern von Parteien klare Statements zum Islam
Gehört der Islam zu Österreich? Ist Islampolitik für Sie verbunden mit Sicherheitspolitik? Und was halten Sie von Kopftuchverboten im öffentlichen Dienst? Diese und sieben weitere Fragen stellt die Initiative muslimischer ÖsterreicherInnen (IMÖ) nun erstmals den Spitzenkandidaten von SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grünen, Neos und der Liste Pilz. Anfang dieser Woche versendete die IMÖ die Fragebögen an die Parteizentralen. Die Antworten sollen wahlberechtigten Muslimen in Österreich als Orientierung dafür dienen, was sie von den jeweiligen Politikern nach dem 15. Oktober zu erwarten haben.
Die Initiatoren der Befragung orten im muslimischen Teil der Bevölkerung große Verunsicherung: "Der Islam spielt in diesem Wahlkampf eine besondere Rolle: Alle Parteien thematisieren auf die eine oder andere Weise Terrorgefahr und Flüchtlingsproblematik. Da werden auf dem Rücken der Muslime Emotionen geschürt, aber alle sprechen nur über Muslime statt mit uns", sagt IMÖ-Obmann Tarafa Baghajati. Das führe dazu, dass sich viele "von keiner Partei verstanden fühlen und daher nicht wissen, ob sie überhaupt wählen gehen sollen."
Wichtige Wählergruppe
Dabei geht es hier um ein nicht zu unterschätzendes Wählerpotenzial: Hat Schätzungen zufolge von den bundesweit rund 700.000 Muslimen doch ein gutes Drittel die österreichische Staatsbürgerschaft. Nun sei es an der Zeit, diese "demokratiepolitisch relevante Gruppe als Akteure ins Spiel zu bringen, indem auch ihre Interessen berücksichtigt werden", meint Baghajati. Die potenziellen Wähler müssten wissen, was sie nach der Wahl erwartet. Erhalte man von Kern, Kurz, Strache und Co. die erhofften Antworten, fördere dies das Wir-Gefühl jener Muslime, "die sich selbstverständlich als Teil der österreichischen Gesellschaft begreifen".
Als Wahlempfehlung für eine bestimmte Partei möchte die IMÖ die Aktion nicht verstanden wissen. Wohl aber als Aufruf, sich an der Wahl zu beteiligen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ), die die IMÖ-Befragung unterstützt, schließt sich diesem Appell an.
Antworten zugesagt
Abgesehen von den drei eingangs erwähnten Fragen will die IMÖ auch die persönlichen Assoziationen der Kandidaten mit dem Islam eruieren: Erachten sie Muslime als relevante Wählergruppe? Wie beurteilen sie deren "Benachteiligung" durch das Islamgesetz? Und was verbinden sie mit dem Stichwort Islam? Die Antworten auf diese und vier weitere spezifische Fragen sollen in einer Woche vorliegen. Die IMÖ will die Ergebnisse über Facebook, Twitter und andere Kanäle an die muslimische Community und die Öffentlichkeit kommunizieren. Experten werden die Antworten der Spitzenkandidaten einordnen.
Auf KURIER-Nachfrage zeigten sich die Parteien gegenüber der Aktion offen. Man werde den Fragebogen ausfüllen, hieß es aus den Büros von Kanzler Christian Kern (SPÖ) und Ulrike Lunacek (Grüne). Bei der FPÖ, den Neos und der Liste Pilz war die Beantwortung am Donnerstag bereits im Gange. Keine Stellungnahme gab es bis Redaktionsschluss von der ÖVP.
Aussagekräftige aktuelle Studien zum Wahlverhalten der muslimischen Österreicher sind Mangelware. In einem sind sich die meisten Experten einig: Diese Bevölkerungsgruppe tendierte bis dato stark zur SPÖ.
Darauf deutet auch die Wahltagsbefragung hin, die Meinungsforscher Peter Hajek bei der Nationalratswahl 2013 im Auftrag von ATV durchführte. Demnach gaben sieben Prozent der befragten SPÖ-Wähler an, islamischen Glaubens zu sein (59 Prozent waren katholisch). Bei jeder anderen Partei lagen die muslimischen Wähler damals bei maximal einem Prozent.
Für den Sozialforscher Günther Ogris vom SORA-Institut ist dieser Befund keine Überraschung. "Generell gilt für Menschen mit Migrationshintergrund, dass sie eher aufstiegsorientiert und optimistisch sind." Klassische SPÖ-Themen und -Versprechen wie etwa "bessere Bildung für alle" würde in dieser Gruppe besonders gut ankommen.
Arbeitermilieu
Hinzu komme, dass viele Muslime im Arbeitermilieu angesiedelt seien, was ebenfalls vor allem der SPÖ zugute käme, sagt der Experte.
Die Grünen hingegen würden zwar einen sehr migrantenfreundlichen Kurs verfolgen, "sie haben aber eher ein Lehrer-Image", ist Ogris überzeugt.
Aus naheliegenden Gründen könnten wiederum Blau und Schwarz nicht mit überbordend vielen Stimmen aus der muslimischen Community rechnen: Die ÖVP sei allein schon wegen ihrer stark christlichen Prägung für islamische Wähler wenig attraktiv, die FPÖ würde sie mit ihrem besonders ausgeprägten islamkritischen Kurs abschrecken.