Chronik/Österreich

Mehr Kontrollen nach Railjet-Affäre

Schärfere interne Kontrollen" kündigte ÖBB-Chef Christian Kern am Freitag als Folge der vom KURIER aufgedeckten Affäre rund um die falsch eingebauten Achsen in 34 Railjets an (siehe unten). Wie berichtet, waren über eineinhalb Jahre nicht für 230 km/h zugelassene Radsätze in den Hochgeschwindigkeitszügen verwendet worden.

Ganz aufgearbeitet sind die Vorgänge damit allerdings noch immer nicht, weitere interne Untersuchungen sind ebenso im Laufen wie ein Verfahren des Verkehrsministeriums. Der vertrauliche Bericht, der zur Abberufung von zwei Managern der zuständigen ÖBB-Tochter "Technisches Service GmbH" geführt hat, ist erst ein "Zwischenbericht".

Railjet-Lokführer behaupten etwa in jenem Internet-Fachforum, in dem die ersten Berichte aufgetaucht waren, dass sie intern nicht über die Probleme und die herab gesetzte Geschwindigkeit informiert worden seien. Auch das dürfte derzeit von der Eisenbahnbehörde genauer untersucht werden.

Von der ÖBB-Internetseite wurden mittlerweile zwar jene zwei Manager entfernt, die den Hut nehmen mussten. Ein Bericht über den Austausch der Railjet-Radsätze ist aber noch komplett abrufbar – darin kann man unter blog.oebb.at/200-meter-zug-heben-ab mit Fotos ziemlich genau nachverfolgen, wie offenbar im Werk in Wien-Simmering die falschen Achsen in den Hochgeschwindigkeitszügen montiert wurden. Nämlich jene mit den leicht gewölbten Radscheiben.

In verschiedensten Internetforen sorgt die Affäre zunehmend für Aufregung und Spott. So wurde als Titel der Diskussion bereits "die Achsen des Bösen" gefunden.

Streng vertraulich" steht auf dem brisanten Schriftstück, das Donnerstagmittag dem Aufsichtsrat der ÖBB vorgelegt wurde. Darin wird erstmals detailliert geschildert, wie es zu der Aufsehen erregenden Panne mit den vertauschten Railjet-Achsen gekommen ist. Wie im November vom KURIER aufgedeckt, waren monatelang nicht für Tempo 230 zugelassene Achsen in die Hochgeschwindigkeitszüge eingebaut worden.

Erste Konsequenzen

Das gerade erst fertig gestellte (und dem KURIER vorliegende Papier) führte jedenfalls dazu, dass der technische Geschäftsführer und der zuständige Qualitätsmanager der ÖBB-Tochter "Technisches Service GmbH" noch am Donnerstag ihrer Posten enthoben wurden. Denn tatsächlich waren sogar auf 34 statt der bisher genannten 13 Railjets die falschen Dosto-Achsen montiert. Mit diesen darf maximal Tempo 200 gefahren werden.

Wie leicht es zu der Verwechslung kommen konnte, ist fast schon unglaublich: Im Jahr 2007 wurden die Railjets in Österreich eingeführt und gleichzeitig 64 Doppelstockwaggons von den ÖBB angeschafft. Beide Züge hatten ähnliche Achsen mit gleichem Durchmesser – aber mit unterschiedlichen Radscheiben und aus anderem Material. Das wurde den Mechanikern aber nicht mitgeteilt, die alle gelieferten Achsen verbauten.

124 falsche Achsen

Da nach sechs Jahren die Railjet-Achsen routinemäßig getauscht werden, bauten die Arbeiter ab 2013 unwissend beide Achsen ein. Insgesamt 124 falsche Radsatzwellen wurden in die Railjets eingebaut. Bis einem Arbeiter am 4. November bei der Montage doch noch auffiel, dass die Radscheiben gewölbt statt gerade waren.

Was dann genau passierte, ist noch etwas unklar. In einem Internet-Eisenbahnforum tauchten am 13. November Berichte über Probleme mit den Achsen auf. Tags darauf stellte der KURIER erstmals eine Anfrage an die ÖBB, die zunächst von einem Routinevorgang und Gerüchten sprachen. Allerdings gab der ÖBB-Vorstand am gleichen Tag eine "Ursachenerhebung" in Auftrag.

Einen Tag später begannen auch die Eisenbahnbehörde und das Verkehrsministerium aufgrund von Hinweisen mit Untersuchungen, die in der Folge zu schweren Verstimmungen mit den ÖBB führten. Die Bahn legte ein so genanntes §40-Gutachten vor, wonach mit den Achsen 230 km/h gefahren werden könne. Dieses Papier wurde von der Behörde schlichtweg nicht akzeptiert, das Vertrauen ist seither laut Insidern erschüttert. Die Untersuchungen des Verkehrsministeriums laufen noch.

Die ÖBB betonen, dass keine Sicherheitsgefahr bestanden hat. Mittlerweile hat der Railjet-Hersteller Siemens ein neues Zulassungsverfahren eingeleitet. Thema: Zulassung der Dosto-Achsen für 230 km/h.