Mediation als Ausweg aus Bilderstreit
Von Thomas Orovits
Berlin hat geliefert, ebenso Paris, Rom, Madrid und Prag. Sogar aus New York wurde dem Wiener Kunsthistorischen Museum (KHM) für seine seit 2. Oktober (bis 13. Jänner 2019) geöffnete einzigartige Ausstellung mit Werken von Pieter Bruegel dem Älteren ein Werk überlassen. Just Budapest hat ausgelassen, für „Die Predigt Johannes des Täufers“ wurde „keine Ausfuhrgenehmigung“ erteilt, sagte eine KHM-Sprecherin zum KURIER.
Das Haus am Ring hatte sich bei unseren liebsten Nachbarn intensiv um die Freigabe des im Szépmuvészeti Múzeum hängenden Gemäldes bemüht, aber am Ende erst „relativ spät“ vor Ausstellungsbeginn eine Abfuhr bekommen. Deshalb scheint das Werk auch im großen Ausstellungskatalog auf, der schon vorher gedruckt werden musste.
Zur Herkunft des auf 1566 datierten, 95,1 mal 161,6 Zentimeter großen Ölbildes auf Holz heißt es im Katalog, dass es „wohl“ aus „jahrhundertealtem ungarischen Familienbesitz, ursprünglich aus Schloss Németújvár (heute Güssing, Österreich)“ stammen müsse.
Verschlungen
Damit sind wir auch schon mitten in einem vertrackten Rechtsstreit, über den der KURIER im Sommer berichtet hat und der in den vergangenen Wochen auch in ungarischen Medien (wieder) Niederschlag gefunden hat. Im Kern geht es um die Frage, wer rechtmäßiger Eigentümer des Predigt-Bildes ist, das der Niederländer nach Szenen aus dem Matthäus- und Lukas-Evangelium geschaffen hat. Das nach Expertenschätzung zwischen 10 und 100 Millionen Euro teure Werk (je nachdem, ob es im Falle eines Verkaufs in Ungarn bleiben müsste oder ausgeführt werden dürfte) befindet sich im Besitz der Familie Batthyány und unter dem Schutz des ungarischen Staates.
Weil das Gemälde aber bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg Teil der damals westungarischen Burg Güssing – seinerzeit Hauptresidenz der Fürsten Batthyány – war, lässt Burgenlands Kulturlandesrat Hans Peter Doskozil (SPÖ) durch die Finanzprokuratur der Republik allfällige Ansprüche auf das Bruegel-Bild prüfen. Denn, so eine mögliche Argumentation, der 1870 ohne Nachkommen verstorbene Fürst Philipp Batthyány hatte eine Stiftung zum Zwecke der Erhaltung der Burg Güssing, des Franziskanerklosters und der Familiengruft eingerichtet. In die Stiftung eingebracht wurden auch alle „in diesem Schlosse aufbewahrten Gegenstände“, heißt es in § IV seines Testaments. Demnach würde auch „Die Predigt Johannes des Täufers“ zum Stiftungsbestand zählen (siehe Zusatzbericht).
Dass Ungarn die Teilnahme an der weltweit ersten großen monographischen Bruegel-Schau in Wien mit rund der Hälfte seiner Werke verweigert hat, könnte darauf hindeuten, dass Budapest die Causa sehr ernst nimmt. Ungarische Medien berichteten jüngst mit Verweis auf den KURIER-Artikel, das Büro von Ministerpräsident Viktor Orbán höchstselbst „verbot den Transport“ des Bildes nach Wien – eine Bestätigung blieb aber aus. Auf KURIER-Nachfrage heißt es von der ungarischen Botschaft in Wien, man wisse nicht, wer die Ausfuhr letztlich blockiert habe.
Mediation
Der auf knifflige Kunstrechts-Causen und Restitutionsfälle spezialisierte Wiener Anwalt Andreas Cwitkovits sieht das Burgenland im Tauziehen um das Bild auf rutschigem Terrain: „Wer das Gemälde in der Hand hat, befindet sich in der stärkeren Position“, analysiert der aus Stegersbach stammende Jurist, der den Rechtsstreit ob der historischen und internationalen Aspekte als diffizil einstuft.
Er hält einen Prozess für „wenig aussichtsreich“ und finanzielle Forderungen für „optisch nicht schön“. Stattdessen schlägt er eine Mediation mit Batthyány, Republik Ungarn und Stiftung vor. Ziel könnte eine Form des „Miteigentums“ sein, um das Bruegel-Bild „für alle Beteiligten verfügbar zu machen“. Damit könnte das Gemälde dereinst doch noch in Österreich zu sehen sein.
Warten auf das Gutachten, das Klarheit bringen soll
1524 gelangte die Burg Güssing in den Besitz der Familie Batthyány, seit 1870 steht sie im Eigentum einer Stiftung, die auf Fürst Philipp Batthyány-Strattmann zurückgeht. Für die Existenz des Bruegel-Bildes „Die Predigt Johannes des Täufers“ auf der Burg soll es mehrere Zeugnisse geben. So sollte es 1896 auf der Budapester Millenniumsausstellung gezeigt werden, musste stattdessen aber zum Restaurator; zu Zeiten der ungarischen Räterepublik 1919 wurde es konfisziert und nach Budapest gebracht, wo es sich noch heute befindet.
Von der Existenz des Gemäldes habe man in der Stiftung und beim Land als deren Aufsichtsorgan erst 2015 erfahren. Ein allfälliger Rechtsanspruch auf das Bild könnte der Stiftung finanziell abgegolten werden, so eine Überlegung des Landes. Denn die Erhaltung von Burg und Kloster sei so teuer, dass die Stiftung, in der seit Mitte der 1980er Jahre die öffentliche Hand das Sagen hat, nur die Hälfte der Mittel aufbringen kann, den Rest muss alljährlich das Land zuschießen. Die Familie Batthyány leiste keinen finanziellen Beitrag, so die Auskunft der Stiftung.
Die Finanzprokuratur der Republik soll im Auftrag des Burgenlandes bis Jahresende ein Gutachten vorlegen, das klärt, ob es einen Anspruch auf das Bild gibt und wenn ja, wie Land und Stiftung diesen durchsetzen könnten.