Politischer Islam: Staatliche Auslandsfinanzierung von Imamen bleibt verboten
Diese Entscheidung in Sachen politischer Islam wurde mit Spannung erwartet: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die Beschwerden von zwei türkischen Staatsangehörigen, die als von der Republik Türkei für den Auslandsdienst entsandte Seelsorger, sprich Imame, in Österreich tätig waren, und wegen dieser Tätigkeit ausgewiesen wurden, abgewiesen." In ihrer Beschwerde hatten sie laut VfGH Bedenken gegen das im Islamgesetz 2015 geregelte Verbot der Auslandsfinanzierung von Religionsgesellschaften, das der Begründung ihrer Ausweisung zugrunde liegt, erhoben.
Als „ermutigendes Signal, dass dem politischen Islam und Einfluss aus dem Ausland Schranken gesetzt werden können“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum - von ihm federführend 2015 erarbeiteten - Islamgesetz. Er sieht darin eine Bestätigung im Kampf der Regierung gegen den politischen Islam in Österreich.
Die FPÖ, die ebenfalls gegen den politischen Islam auftritt, schickte auch eine Stellungnahme aus. FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache begrüßte in einer OTS-Aussendung "das heutige Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, wonach das Verbot der Auslandsfinanzierung für Imame nicht verfassungswidrig ist. Dies zeige, dass die österreichische Regierung mit ihren Maßnahmen gegen den radikalen politischen Islam auf dem richtigen Weg sei. Fanatismus egal aus welcher Ecke sei abzulehnen und müsse bekämpft werden, ebenso wie Integrationsfeindlichkeit oder die Ablehnung der Demokratie".
Stellungnahme der IGGÖ
"Der Rechtsstaat hat gesprochen und unsere Aufgabe als IGGÖ ist es nun, entsprechend der Entscheidung weitere Schritte zu setzen, damit der akute Imame-Mangel im Land gelindert werden kann", erklrät IGGÖ-Präsident Ümit Vural. "Der Verfassungsgerichtshof erkennt zwar im Verbot der Auslandsfinanzierung für die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) eine Einschränkung der Religionsfreiheit an, hält sie jedoch für verhältnismäßig. Mit dieser VfGH-Entscheidung stünde nun der Weg zum EuGH offen, um die Einschränkung der Religionsfreiheit im Islamgesetz neu abwägen zu lassen." Nachsatz: "Gemeinsam mit der ATIB-Kultusgemeinde werden wir uns sehr gewissenhaft mit dem VfGH-Entscheid auseinandersetzen und die Situation wie auch weitere Schritte eruieren."
Die Entscheidung des VfGH umfasst 38 Seiten und wurde bereits am 13. März 2019 unter Vorsitz von Präsidentin Brigitte Bierlein gefällt. Auch über das (Wieder-)Einreiseverbot hat der VfGH entschieden. Beim ersten Beschwerdeführer wurde urspünglich ein Einreiseverbot für drei Jahre verhängt, was die Richter als zu lang beurteilten. Sie verkürzten das Einreiseverbot auf 18 Monate.
Der Hintergrund der Beschwerde
Der Beschwerdeführer ist laut VfGH türkischer Staatsangehöriger. "Er war seit Erteilung seines ersten Aufenthaltstitels "Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit" am 8. Oktober 2013 als durch das Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der Republik Türkei (Diyanet İşleri Başkanlığı) für den Auslandsdienst entsandter türkischer Staatsbediensteter als Seelsorger (Imam) für den Verein ATIB Union (Türkisch-islamische Kultusgemeinde Salzburg der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich) in Freistadt tätig."
"Der Verein ATIB Union stellte ihm eine kostenlose Wohnmöglichkeit zur Verfügung und er bezog ein monatliches Gehalt in Höhe von 2105 Euro, das in der Türkei versteuert und ihm durch das türkische Generalkonsulat in Österreich ausbezahlt wurde", heißt es weiter. "Am 12. September 2017 stellte er einen Verlängerungsantrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels. Am 30. März 2018 verständigte die Bezirkshauptmannschaft Freistadt (Niederlassungsbehörde) das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zum Zweck der Prüfung aufenthaltsbeendender Maßnahmen, weil allgemeine Erteilungsvoraussetzungen nicht mehr vorgelegen seien." Gegen den Imam wurde ein Rückkehrentscheidung erlassen und für eine freiwillige Ausreise 14 Tage Zeit gewährt und ein auf drei Jahre festgelegtes Einreiseverbot erlassen." Das Bundesverwaltungsgericht wies eine Beschwerde gegen diesen Bescheid ab.
"Gemäß Islamgesetz hat die Aufbringung der finanziellen Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder durch die Religionsgesellschaft, die Kultusgemeinden bzw. ihre Mitglieder im Sinne der Selbsterhaltungsfähigkeit im Inland zu erfolgen. Diese Bestimmung stößt im Ergebnis auf keine verfassungsrechtlichen Bedenken", teilen die Verfassungsrichter mit. "Der Gerichtshof stellte fest, dass die Art und Weise der Aufbringung der Mittel für die Finanzierung der Tätigkeiten gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften von ihrer Religionsfreiheit nach der Menschenrechtskonvention geschützt ist."
...Es habe allen handelnden Personen bekannt sein müssen...
"Unbeachtlich sei, ob letztlich die Kultusgemeinde selbst aus dem Ausland finanziert werde und welche Geldbeträge im Hintergrund zwischen dem Verein ATIB Union, Diyanet de Belgique (belgischer Schwesterverein, der dem Verein ATIB Union auf Grundlage eines Rahmenvertrages vom 13. Mai 2016 im Wege der Personalüberlassung Seelsorger stellt) und dem türkischen Generalkonsulat bzw. Staat flössen, da jedenfalls der Erstbeschwerdeführer sein Gehalt vom türkischen Generalkonsulat beziehe, eine etwaige Refinanzierung über die Kultusgemeinde augen-scheinlich aus dem Ausland stamme und noch keine rechtswirksam errichtete inländische Stiftung nach dem Privatstiftungsgesetz (PSG) als Legalisierungsmöglichkeit nachgewiesen worden sei", heißt es in der VfGH-Entscheidung. "Es habe allen handelnden Personen bekannt sein müssen, dass die aktuelle Organisation und Finanzierung der Tätigkeit von Imamen nicht den gesetzlichen Vorgaben entspreche."
...ATIB Union betreibe in Österreich eine große Anzahl von Moscheen...
Für eine etwaige Verfassungswidrigkeit von § 6 Abs. 2 Islamgesetz 2015 seien keine ausreichenden Gründe ersichtlich. "Das Islamgesetz 2015 solle dafür sorgen, dass der Einfluss ausländischer Staaten auf österreichische Religionsgemeinschaften unterbunden werde", heißt es weiter. "Gerade der Dachverband ATIB Union betreibe in Österreich eine große Anzahl von Moscheen und stehe letztlich auch gemäß den vorgelegten Unterlagen und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung unter Kontrolle der türkischen Religionsbehörde."
...Tatbestand der Auslandsfinanzierung erfüllt...
Fest stehe alut VfGH auch, "dass nicht einmal der Erstbeschwerdeführer selbst bestreite, sein Gehalt vom türkischen Generalkonsulat zu beziehen und türkischer Beamter zu sein. Damit stehe außer Frage, dass er Zahlungen aus dem Ausland erhalten habe und somit der Tatbestand der Auslandsfinanzierung erfüllt sei." und weiter heißt es: "Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ergebe sich explizit, dass das Islamgesetz 2015 gerade Konstellationen verhindern wolle, wonach öffentlich Bedienstete aus-ländischer Staaten als Mitarbeiter, Geistliche, Seelsorger, Funktionsträger und ähnliche im Bundesgebiet tätig würden."
Und weiter heißt es: "In diese Freiheit greift § 6 Abs. 2 Islamgesetz 2015 zwar ein, indem die Möglichkeiten der Finanzierung der Tätigkeiten im Schutzbereich des Grundrechtes beschränkt werden, doch ist diese Maßnahme nicht als unverhältnismäßig zu beurteilen: Die Wahrung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften vom Staat, aber insbesondere auch von anderen Staaten und deren Einrichtungen, bildet ein im öffentlichen Interesse gelegenes Ziel."
...Autonomie der islamischen Religionsgemeinschaften...
Wörtlich heißt es: "Obgleich die Aufbringung und Verwendung finanzieller Mittel durch gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften grundsätzlich zum Bereich der inneren Angelegenheiten zählt, sichert das hier vorliegende Verbot der Mittelaufbringung durch eine laufende Finanzierung aus dem Ausland die Autonomie der islamischen Religionsgemeinschaften bzw. Kultusgemeinden gegenüber Einwirkungen anderer Staaten und deren Einrichtungen, im konkreten Fall des Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten der Republik Türkei, und bildet daher keine unzulässige Regelung der inneren Angelegenheiten einer islamischen Religionsgemeinschaft."