Junge Flüchtlinge schlecht betreut
Von Julia Schrenk
Alireza und Roan (beide 17 Jahre alt) kennen einander schon aus ihrer Heimat Afghanistan. Gemeinsam sind sie vor eineinhalb Jahren nach Österreich geflüchtet. Alireza spricht mittlerweile fast perfekt Deutsch. Er ist gut integriert, engagiert sich jedes Wochenende bei der Freiwilligen Feuerwehr und besucht das Gymnasium.
Roan kann bis heute nur "Hallo", "Guten Morgen" und "Wie geht’s" auf Deutsch sagen. Er würde gerne in die Schule gehen, darf aber nur am Deutschkurs teilnehmen. Er hat immer noch keine Freunde in Österreich gefunden. Seine einzige Bezugsperson ist Alireza.
Was der Unterschied zwischen den beiden Flüchtlingen ist? Alireza ist in einer sozialpädagogisch betreuten Wohngemeinschaft mit sieben weiteren Jugendlichen in Niederösterreich untergebracht. Er hat eine Bezugsperson, jemand, der sich um ihn kümmert, mit ihm Behördengänge erledigt.
Roan lebt in einem Großquartier mit Erwachsenen in der Steiermark. Er ist ganz auf sich alleine gestellt. Er hat niemanden, der ihn fördert, niemanden, der ihm hilft.
Zufall entscheidet
Doch in der Praxis sei das oft nicht der Fall. "Auf dem Papier übernimmt zwar die Jugendwohlfahrt die Obsorge, aber in der Realität bleiben asylwerbende Jugendliche oft nur grundversorgt", sagt Christian Moser, Geschäftsführer des SOS Kinderdorfs. 6000 junge Flüchtlinge seien derzeit in Österreich in der Grundversorgung. "Der Großteil von ihnen wird unzureichend betreut", sagt Moser. Minderjährige Flüchtlinge würden verwahrt und nicht betreut, sie hätten oft keine Tagesstruktur und keine Perspektive. SOS Kinderdorf hat bei Michael Ganner, Professor an der Universität Innsbruck, ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Der kommt nun zu dem Schluss, dass das nicht rechtskonform ist.
Länder in der Pflicht
Dazu kommt, dass gar nicht klar ist, wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge überhaupt in Österreich leben und wie viele davon unzureichend untergebracht sind und betreut werden (siehe Bericht rechts).
In der Obhut des SOS Kinderdorfes sind derzeit 300 minderjährige Flüchtlinge. Sie leben in Wohngemeinschaften. Gewünscht ist das aber nicht in jedem Bundesland. "In der Steiermark durften wir bis jetzt keine Wohngemeinschaft eröffnen", sagt Geschäftsführer Moser. Aus dem Büro der zuständigen Landesrätin Doris Kampus war am Mittwoch keine Stellungnahme zu bekommen.