Chronik/Österreich

Jetzt kommt die vierte Generation

„Das Mistvieh hat es wirklich drauf.“ Fast schwingt so etwas wie Bewunderung in der Stimme von Herbert Stummer, dem zuständigen Borkenkäfer-Experten in der burgenländischen Landwirtschaftskammer, mit, wenn er über den Borkenkäfer spricht. „Ein Käfer pro Baum reicht. Der sendet Sexuallockstoffe aus und signalisiert: Das Hotel ist eröffnet.“

Innerhalb von wenigen Tagen ist der befallene Baum voll mit Käfer und zum Absterben verurteilt. Ein Schicksal, das im Vorjahr für eine Schadholzmenge von 3,5 Millionen Festmeter sorgte – österreichweit. Allein in Niederösterreich dürfte heuer dieselbe Menge anfallen, aus Oberösterreich werden aktuell 500.000 Festmeter gemeldet.

Im tiefer gelegenen Burgenland kennt man die Problematik schon seit Jahren und hat damit leben gelernt. „Jetzt verschiebt sich die Problematik eben in die höheren Lagen“, sagt Matthias Grün, Forstdirektor bei der Esterhazy Betriebe GmbH. Dass die Situation im Burgenland heuer nicht so schlimm ist wie in den Vorjahren, erklärt Stummer mit den teilweise heftigen Niederschlägen im Frühjahr. „Mit ausreichend Nässe versorgt können Fichten mehr Harz ausbilden. Das ist ihr natürlicher Schutz gegen die Borkenkäfer.“

Fichten als Lieblinge

Fichten sind es übrigens, die der Borkenkäfer für eine massive Verbreitung braucht. Die meisten anderen Baumarten sind resistent gegen Buchdrucker, Kupferstecher & Co. Der Fichtenanteil in Burgenlands Wäldern liegt bei 15 Prozent, in ganz Österreich hingegen bei weit über 50 Prozent. „Wir raten immer dazu, laubdominierten Mischwald und heimische Arten zu setzen. Das ist auch im Hinblick auf den Klimawandel die bessere Entscheidung“, sagt Stummer.

Fichten sind im Burgenland hauptsächlich im Südburgenland zu finden. Bei den Esterhazy Betrieben, deren Waldflächen zum Großteil im Nordburgenland liegen, hält sich der Schadholzanteil mit „ein bis drei Prozent“ in Grenzen, sagt Grün: „Das können wir locker verkraften.“ Lokale Themen gebe es dennoch, wie etwa große Lagerplätze von Industriebetrieben an der Grenze zu Niederösterreich. Im Rahmen eines Versuchsprojekts werden jetzt Käfer markiert, um herauszufinden, wie sie sich verbreiten. Im Süden habe man sich bereits angepasst, wie Alexander Thuroczy vom Forstbetrieb Draskovich in Güssing sagt: „Wir leben seit 15 Jahren mit ihm. Der Wald hat sich angepasst und wir auch.“

Borkenkäfer 4.0

Sorgen bereitet Käferexperte Stummer das derzeit warme und trockene Wetter: „Bleibt die Witterung so, dann könnte sich eine vierte Generation ausgehen und das wäre eine Katastrophe.“ Denn dann würden im kommenden Jahr Hunderte Millionen Borkenkäfer ausschwärmen: „Aus einem Ausgangsbestand von 200 Käfern können sich bei vier Generationen bis zu 60 Millionen Käfer entwickeln“, sagt Stummer. Und dann wären die „Käferhotels“ in den Wäldern wohl mehr als ausgebucht.

Michael pekovics

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