Chronik/Österreich

Islamist Lorenz K. im Strafvollzug offenbar Teil eines Terror-Netzwerks

Der in Jihadisten-Kreisen populäre Lorenz K., gegen den die Staatsanwaltschaft Graz eine Anklage wegen versuchter Anstiftung zu Anschlägen im Namen der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) eingebracht hat, war ungeachtet seiner Inhaftierung Teil eines Terror-Netzwerks. Gerade weil sich der 24-Jährige seit Jänner 2017 durchgehend in Haft befindet, hatte er in mehreren Gefängnissen Kontakt zu anderen Terroristen - hautnah und persönlich.

In der Justizanstalt (JA) Stein, wo Lorenz K. nach seiner rechtskräftigen Verurteilung zu neunjähriger Haft einsaß - er hatte im Alter von 17 einen Bombenanschlag auf den deutschen US-Truppenstützpunkt Ramstein geplant und wollte einen damals Zwölfjährigen mit einem selbst gebauten Sprengsatz zu einem Selbstmordanschlag auf einen Weihnachtsmarkt im deutschen Ludwigshafen bringen - lernte er Sergo P. kennen. Der aus Georgien stammende Radikalislamist war zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Mal wegen terroristischer Straftaten verurteilt worden - das erste Mal 2015 vom Landesgericht Wien, weil er samt Ehefrau und Mutter nach Syrien reisen wollte, um sich als Kämpfer dem IS anzuschließen, ein weiteres Mal 2017 vom Landesgericht Korneuburg.

Handy im Genitalbereich versteckt

In der JA Hirtenberg soll Sergo P. via Smartphone versucht haben, in Freiheit befindliche IS-Sympathisanten Ende 2019 zu terroristischen Anschlägen auf Weihnachtsmärkte in Wien und Salzburg zu bestimmen. Die Pläne flogen auf, Sergo P. wurde in das Hochsicherheitsgefängnis in Stein verlegt.

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Dort bezog er ausgerechnet eine Zelle direkt neben dem Haftraum von Lorenz K. Die beiden rechtskräftig abgeurteilten IS-Terroristen lernten sich näher kennen und schätzen, sie plauderten über die geöffneten Zellenfenster miteinander und nützten Hofspaziergänge und gemeinsame Gebete zu intensivem Gedankenaustausch. Sie teilten sich sogar ein illegal beschafftes Handy, wie das BVT - die Vorgängerbehörde der DSN - später herausfand. Das Handy wollte Lorenz K. im Genitalbereich verstecken, als seine Zelle bzw. er auf verbotene Mobilfunkgeräte durchsucht wurden, nachdem aufgefallen war, dass sich zwei namhafte IS-Vertreter im Gefängnis regelrecht angefreundet hatten.

Terror-Zelle mit Hausarbeitern

Um den Kontakt zu anderen mit terroristischem Gedankengut infiltrierten Insassen zu verhindern, wurde Lorenz K. im Jänner 2020 nach Graz verlegt. In der JA Karlau wurde Lorenz K. als Hausarbeiter beschäftigt - und bildete mit zwei anderen Hausarbeitern offenbar eine Art "Terror-Zelle". Zum einen lernte er den mehrfach vorbestraften Nino K. (33) kennen, der eine langjährige Freiheitsstrafe wegen versuchten Raubmordes verbüßt und der sich als Anhänger des IS erwies.

Lorenz K. übermittelte ihm per WhatsApp ein Propagandavideo des IS, in dem erläutert wird, dass man keine Waffen benötige, um "verheerenden Schaden bei den 'Kuffar' (Ungläubigen, Anm.) anzurichten". Zum anderen stieß Lorenz K. auf Abdelkarim Abu H., den das Landesgericht Krems wegen versuchter Bestimmung zu Mordanschlägen und Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung - nämlich der Hamas - zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt hatte.

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Der Hamas-Anhänger und der IS-Mann dürften sich auf Anhieb gut verstanden haben. Sie besuchten sich regelmäßig in ihren Hafträumen und nutzten abwechselnd zwei auf Instagram bzw. Telegram angelegte Profile zur Verbreitung terroristischer Propaganda - das dafür benötigte Handy hatte sich Lorenz K. um 800 Euro beschafft. Lorenz K. soll Abdelkarim Abu H. auch aufgefordert haben, eine dritte Person dazu zu bringen, einen Treueschwur auf den damaligen IS-Führer Abi Ibrahim al-Haschimi al-Kuraischi abzulegen.

Patronenhülsen in der Zelle 

Doch damit nicht genug. Lorenz K. soll dem "Lebenslangen" auch eine Anleitung zum Bombenbasteln übermittelt haben. Anfang August 2020 wurden bei einer Durchsuchung der Zelle von Abdelkarim Abu H. Elektronikteile sowie vier Patronenhülsen aus einer Langwaffe gefunden, mit denen dieser vermutlich eine Sprengvorrichtung bauen wollte

Gegen den gebürtigen Palästinenser laufen in dieser Sache - losgelöst von der rechtskräftigen Anklage gegen Lorenz K. - separate Ermittlungen wegen Vorbereitung terroristischer Straftaten, terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation, teilte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz, Hansjörg Bacher, auf APA-Anfrage mit. Diese Ermittlungen seien noch nicht "enderledigungsreif", sagte Bacher. Es gibt daher noch keine Anklage.

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Von Sergo P. geht demgegenüber insofern keine Gefahr mehr aus, als sich der Islamist, der sich während seiner Inhaftierung noch weiter radikalisiert haben soll, nicht mehr im Land befindet. Der mittlerweile 27-Jährige wurde nach Verbüßung der über ihn verhängten Haftstrafen am 29. April 2022 aus dem Gefängnis entlassen. Er nahm umgehend Kontakt zu alten Bekannten aus der Jihadisten-Szene auf, suchte neue Anknüpfungspunkte und ging in einschlägige Moscheen. Vom Verfassungsschutz wurde er als "Hochgefährder" eingestuft.

Abschiebung nach Georgien

Nach einigen Monaten übersiedelte Sergo P. nach Deutschland - vermutlich nicht zuletzt aufgrund von Verbindungsleuten zur islamitischen Szene und um weiteren gegen ihn gerichteten Ermittlungen in Österreich aus dem Weg zu gehen. Als er wegen eines Urkundendelikts festgenommen und festgestellt wurde, dass er in Deutschland keinen rechtmäßigen Aufenthaltstitel hatte, suchte er um Asyl an. Auch der deutsche Verfassungsschutz hatte ihn zu diesem Zeitpunkt längst am Radar - Anfang Jänner 2023 soll Sergo P. Gegenstand einer "Gefährdungsmeldung" gewesen sein. Er wurde schließlich nach gesicherten Informationen der APA im Februar 2023 nach Georgien abgeschoben.