Intensivmediziner warnen: Keine Entlastung in Sicht
Besonders in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland ist die Situation auf den Intensivstationen wegen der vielen Corona-Patienten weiterhin angespannt. Laut aktuellen Prognosen sei für die kommenden Wochen keine Entlastung in Sicht. "Das stellt uns weiterhin vor große Probleme", betonte Klaus Markstaller von der Intensivmedizin-Gesellschaft ÖGARI am Montag. Österreichweit wurden am Sonntag 602 Covid-Patienten intensivmedizinisch betreut, doppelt so viele wie Anfang März.
In Wien hat sich in demselben Zeitraum die Zahl fast verdreifacht und liegt um fast 50 Prozent über dem Spitzenwert der zweiten Welle Ende November, berichtete die ÖGARI in einer Aussendung. Auch in Niederösterreich und dem Burgenland wurden die damaligen Spitzenwerte zuletzt überschritten, nicht hingegen in den anderen Bundesländern. Diese betonten jedoch eine Bereitschaft zur Übernahme von Patienten.
Überlastung wird "Risiko für alle"
"Eine Überforderung der Intensivversorgung durch die Covid-19-bedingte Zusatzbelastung kann zum Risiko für alle werden, weil über die Intensivstationen hinaus zahlreiche andere Bereiche der Gesundheitsversorgung betroffen sind", erläuterte Markstaller. Die komplexen Auswirkungen würden laut dem Wiener AKH-Mediziner oft unterschätzt.
Bei zu vollen Intensivstationen müssen teils große Operationen verschoben werden, bei denen nach dem Eingriff ein Intensivbett benötigt würde. Zudem muss auf überlasteten Intensivstationen Personal aus anderen Bereichen eingesetzt werden, das auch für kleinere Eingriffe fehlt, die dann ebenfalls verschoben werden müssen.
"Unsere Intensivstationen sind regelmäßig, ganz ohne zusätzliche Belastungen wie die Pandemie oder zum Beispiel Katastrophen oder Großunfälle, zu 75 bis 90 Prozent belegt", warnte ÖGARI-Präsident Walter Hasibeder vom Krankenhaus St. Vinzenz in Zams. Sind zehn bis maximal 15 Prozent aller Intensivbetten einer Region durch eine zusätzlich belegt, ist das kein Problem. "Bei bis zu 30 Prozent zusätzlicher Belegung durch Covid-19-Patientinnen und -Patienten müssen Maßnahmen zur Ressourcenentlastung ergriffen werden, zum Beispiel Überstunden oder das Verschieben bestimmter zwar wichtiger, aber nicht dringender Eingriffe."
Bei 30 bis 50 Prozent Zusatzbelegung kommt es zur Selektion: Es müssen auch wichtige Eingriffe verschoben werden, die nicht akut lebensnotwendig sind, zum Beispiel Krebs-OPs. Oder Vorsorgeangebote in der Kardiologie oder anderen Bereichen können nicht mehr voll gewährleistet werden. Das alles könne zu gesundheitlichen Verschlechterungen für Betroffene führen, betonte Hasibeder. "Ab einer 50-prozentigen Belegung der Intensivkapazitäten durch Covid-19 Patientinnen und -patienten oder andere Zusatzbelastungen kommt es schließlich zur viel zitierten 'Triage' und einem Kollaps des Systems, wie wir das aus der frühen Pandemiephase zum Beispiel aus Bergamo kennen." Umso wichtiger ist es laut Hasibeder, die Infektionszahlen und damit auch Intensivzahlen nachhaltig zu senken, um eine angemessene Gesundheitsversorgung für alle sicherstellen zu können.
Belastung für "Personal, Belegung und Patienten"
Laut Markstaller bestehe eine unglaubliche Belastung für "Personal, Belegung und Patienten" auf den Intensivstationen, das führte der Intensivmediziner im Ö1-Morgenjournal genauer aus. Die Patienten auf den Intensivstationen würden lange dort bleiben. Kleinere Eingriffe müssten verschoben werden, allerdings konnten alle wichtigen Eingriffe wie bei Tumorpatienten derzeit bisher weiter durchgeführt werden.
Der Mediziner geht von einer Stabilisierung auf sehr hohem Niveau aus. Die Prognosen für die nächsten Wochen zeigten demnach nicht in Richtung Entspannung: "Wenn man diesen Daten glaubt, dürfte es eine Stabilisierung auf diesem sehr hohen Niveau geben." Das sei trotzdem ein Problem. Das System sei durch die hohe Belegung bereits so "gestört", dass es "nicht mehr normal funktionieren" könne.
Markstallers appelliert an die Bevölkerung sich weiter an die Maßnahmen zu halten. Und: "Die Impfung ist tatsächlich die Lösung. Alle Daten zeigen das." Allerdings: Bis ein großer Teil der berufstätigen Bevölkerung geimpft sei, brauche es noch eine "gemeinsame Kraftanstrengung, die einfach diese Zeit überbrückt."