Innenminister Kickl "zentralisiert" die Öffentlichkeitsarbeit
UPDATE UM 11.35 Uhr: Das BMI hat eine Stellungnahme zum KURIER-Bericht geschickt
2. UPDATE UM 12:50 Uhr: Der zuständige Sektionschef Karl Hutter nimmt Stellung, Neos kritisieren Kickl
Am Montagabend erhielt das Bundeskriminalamt in Wien eine überraschende Nachricht. Die Pressestelle wird per 1. Mai - also de facto mit sofortiger Wirkung - aufgelöst und in das Innenministerium von Herbert Kickl (FPÖ) übersiedelt. Die Mitarbeiter sollen dem Vernehmen nach völlig überrascht worden sein.
Als der KURIER dazu bei dem als Verantwortlichen genannten Kommunikationschef des Innenministeriums, Alexander Marakovits, am Dienstag in der Früh anfragte, wollte dieser dazu nichts sagen. Er verwies wiederum auf den Ministeriumspressesprecher Christoph Pölzl, der selbst noch nicht über dieses offenbar kurzfristig anberaumte Manöver informiert worden war. Allerdings wurde kurz darauf ein Pressestatement des Innenministeriums veröffentlicht. Darin werden "neue Kommunikationsgrundsätze" des Ressorts veröffentlicht. Das ist die Folge des berühmten Mails über "kritische Medien", das der KURIER und der Standard gemeinsam veröffentlicht haben.
Im Bundeskriminalamt wollte man sich zu der geplanten "Zentralisierung" der Pressearbeit im Innenministerium nicht äußern. Es ist allerdings sehr ungewöhnlich, dass die Kommunikationsarbeit künftig vom Ministerium in der Innenstadt aus geleitet wird - die Behörde mit 700 Mitarbeitern aber am Josef-Holaubek-Platz in Wien-Alsergrund untergebracht ist. Die Nachricht war offenbar für alle Beteiligte derartig überraschend, dass noch nicht einmal geklärt ist, wo die Pressemitarbeiter des Bundeskriminalamts überhaupt Platz im Innenministerium finden werden.
Der zuständige Sektionschef Karl Hutter betont, dass es bereits seit Monaten Pläne für einen "Newsroom" im Innenministerium gibt, von dem aus die Presse betreut wird. "Das soll keine Message Control sein, sondern ein einheitlicher Außenauftritt", sagt Hutter zum KURIER. Die vier Pressemitarbeiter des Bundeskriminalamts würden übernommen. "Es ändert sich für sie nur, dass nun ich ihr Chef bin und nicht mehr der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit".
Kritik von den Neos
Die Neos sprechen hingegen von einem "Medienmaulkorb". Innenminister Herbert Kickl würde hier "bewusst kritischen Medien einen Riegel vorschieben, in dem er die Öffentlichkeitsarbeit unter seine Kontrolle bringt", sagt Klubobmann Niki Scherak. "Mit der Zentralisierung der Pressestellen im BMI stellt er sicher, dass keinerlei Informationen, die nicht die Kickl‘sche Freigabe durchlaufen haben, an die Öffentlichkeit kommen. Das ist die nächste massive Einschränkung der Medienfreiheit."
Gestoppt werden künftig übrigens auch Imageaktivitäten der Polizei. So wird es nicht mehr möglich sein, dass Medien zu Amtshandlungen im öffentlichen Raum mitgenommen werden. ATV etwa produzierte dazu immer wieder TV-Serien, aber auch andere Medien (darunter der KURIER) berichten so immer wieder über Razzien. Als Ursache für die Neuerung wird der "Datenschutz" genannt. "Leider hört sich das auf", sagt Sektionschef Hutter, das habe dem Image der Polizei sehr gut getan: "Aber wir können nur das machen, was wir nach dem Datenschutz dürfen."
Betont wird auch die im alten Ministeriumsmail angeordnete Maßnahme, dass die Staatsbürgerschaft genannt werden soll: Die "Nennung der Staatsbürgerschaft bzw. Herkunft hat etwa nur dann zu unterbleiben, wenn dadurch eindeutige Rückschlüsse auf konkrete Personen gezogen werden können."
11:35 Uhr: Folgende Stellungnahme von BMI-Sprecher Christoph Pölzl zu dem Bericht:
"Mit 1. Mai treten die neuen bereits kolportierten Kommunikationsrichtlinien in Kraft. Die Richtlinie wurde unter Federführung der Kommunikationsverantwortlichen des Innenressorts gemeinsam mit den neun Landespolizeidirektionen erarbeitet und vom Datenschutzbeauftragten des BMI geprüft. Im Zuge der Erarbeitung hat sich gezeigt, dass in einzelnen Bereichen Synergien besser genutzt werden sollten. Ziel des BMI ist es, die Öffentlichkeit durch die Medienarbeit so rasch wie möglich, aktiv und professionell zu informieren. Dazu braucht es kurze Informationswege und ein enges Zusammenspiel zwischen den handelnden Akteuren. Das ÖA-Team des Bundeskriminalamts wird daher in die Struktur der Zentralstelle eingegliedert. So sorgen wir auch in der kriminalpolizeilichen Medienarbeit für bundesweit einheitliche Standards und für größtmögliche Transparenz. Gewährleistet wird das durch eine räumliche Zusammenlegung bei gleichzeitiger Federführung und Letztverantwortung (Zuweisung von vier Bediensteten des BK zum BMI - damit wechselt auch die Dienst- u. Fachaufsicht) durch die Kommunikationsabteilung des BMI."
Die komplette Aussendung im Wortlaut:
Am 1. Mai 2019 treten der neue Kommunikationserlass und damit verbunden die neue Kommunikationsrichtlinie des BMI in Kraft. Die Richtlinie wurde unter Federführung der Kommunikationsverantwortlichen des Innenressorts gemeinsam mit den neun Landespolizeidirektionen erarbeitet und vom Datenschutzbeauftragten des BMI geprüft. Die Richtlinie sorgt für bundesweit einheitliche Standards im Bereich der Medienarbeit und für größtmögliche Transparenz.
Die Öffentlichkeit ist durch die Medienarbeit und die Social-Media-Kommunikation so rasch wie möglich, aktiv und professionell in Angelegenheiten der inneren Sicherheit zu informieren. Dabei sind die Freiheit der Medien und ihre Pluralität zu achten. Die Medienarbeit hat bundesweit einheitlich nach den vorgegebenen Kriterien und Standards zu erfolgen.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Im Vorfeld und bei Durchführung der Medienarbeit und der Social-Media-Kommunikation sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. Das betrifft insbesondere
*die Auskunftspflicht,
*die Erfordernisse des Datenschutzes,
*den Opfer- und Täterschutz,
*die Wahrung von Urheber- und Bildnisschutzregelungen
*und die Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit.
Im Vorfeld ist in jedem Einzelfall die Wirkung auf die Öffentlichkeit abzuschätzen und insbesondere zu prüfen, ob Interessen und Gefühle von Opfern und Angehörigen Betroffener und der Schutz ihrer Privatsphäre angemessen berücksichtigt werden.
Personenbezogene Informationen sind nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zugänglich zu machen bzw. an Medien zu übermitteln. Ddas betrifft beispielsweise Fahndungsersuchen nach der Strafprozessordnung oder die rechtlichen Möglichkeiten der Datenübermittlung nach dem Sicherheitspolizeigesetz.
Grundsätzlich ist auf die Anliegen von Medien bestmöglich Bedacht zu nehmen, wobei jedoch stets die jeweilige Situation mitberücksichtigt werden muss (Einzelfallprüfung). Das betrifft etwa laufende Ermittlungen oder zur Verfügung stehende Ressourcen.
Dienstleistungsverständnis der Mitarbeiter
Die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Innenressorts haben sich als Dienstleisterinnen und Dienstleister zu verstehen, die glaubwürdig,tatsachenorientiert, transparent, dialogorientiert und nachvollziehbar, möglichst direkt, situationsgerecht und kooperativ agieren und kommunizieren.
Glaubwürdig und tatsachenorientiert zu agieren und zu kommunizieren heißt unter anderem, dass Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen, die den Tatsachen entsprechen. So hat die Nennung der Staatsbürgerschaft bzw. Herkunft etwa nur dann zu unterbleiben, wenn dadurch eindeutige Rückschlüsse auf konkrete Personen gezogen werden können. Jegliche Form diskriminierenden Sprachgebrauchs sowie sonstige Formen der Diskriminierung sind zu unterlassen.
Der Opferschutz genießt höchste Priorität. So hat Medienarbeit nur dann zu erfolgen, wenn Sexualdelikte im öffentlichen Bereich stattfinden und die Bekanntgabe zur Warnung der Bevölkerung vor weiteren Delikten oder zur Fahndung nach Tätern (Zeugenaufruf, weitere Opfer) erforderlich ist. Die Nennung von Details zur Tat hat jedenfalls zu unterbleiben.
Ebenfalls einheitlich geregelt wird die Bekanntgabe von Maßnahmen technischer und taktischer Art, die zur Verfolgung von Tätern und zur Lokalisierung widerrechtlich erlangter Gegenstände (z. B. Geldpaketen) dienen.
Datenschutz wird voll gewährleistet
Besonderer Wert wurde bei der Erarbeitung der Richtlinie auf die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen gelegt. Die Empfehlungen des Datenschutzbeauftragten des BMI wurden aufgenommen. So wird künftig verstärkt zwischen Aktivitäten im öffentlichen Raum und im nicht öffentlichen Raum unterschieden: Im nicht öffentlichen Raum ist die Mitnahme von Medienvertretern (oder Vertretern von Produktionsfirmen) zu konkreten Amtshandlungen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erlaubt. Das betrifft die Mitfahrt in Dienstfahrzeugen, deren Insassen jederzeit zu nicht öffentlichen Amtshandlungen gerufen werden können.
Bei Amtshandlungen im öffentlichen Raum gibt es insoweit Einschränkungen, als die amtshandelnden Kolleginnen und Kollegen nicht durch Aktivitäten der Medienarbeit behindert werden dürfen. Dafür ist eine geeignete Betreuung von Medien durch Pressesprecher sicherzustellen. Das gilt etwa bei Großeinsätzen, Veranstaltungen, Schwerpunktaktionen oder bei der Begleitung von Präventionsbeamten oder Sicherheitsbeauftragten (Grätzlpolizisten).
Die Richtlinie tritt gemeinsam mit dem an die Richtlinie angepassten „Erlass für die interne und externe Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit des Bundesministeriums für Inneres (BMI) und der nachgeordneten Behörden und Dienststellen“ am 1. Mai 2019 in Kraft. Gemeinsam bilden die beiden Dokumente die Grundsätze für die Kommunikations- und Medienarbeit.