Chronik/Österreich

IGGÖ-Präsident: Imame sollen auf Deutsch predigen

Es war ein schwieriges Jahr für Österreichs Muslime: Die Bundesregierung schloss sieben Moscheen, weist Dutzende Imame aus und verbietet Kindergartenkindern das Kopftuch. Ein Dialog auf Augenhöhe zwischen Politik und Islamischer Glaubensgemeinschaft (IGGÖ) findet de facto nicht statt. Deren neuer Präsident, Ümit Vural, will das ändern. Im KURIER-Interview skizziert der Wiener Jurist seine Reformpläne.

KURIER: Herr Präsident, Vural bedeutet aus dem Türkischen übersetzt „Schlag und nimm!“ bzw. „Setz dich durch!“. Ist Nomen hier Omen? Wie legen Sie Ihre Funktion an?

Ümit Vural: (lacht) Ich leg sie auf jeden Fall menschlich an, ehrlich, sachlich und konsequent. Außerdem bedeutet Ümit „Hoffnung“. Ich bin also optimistisch und geb’ die Hoffnung nie auf.

Bei Ihrem Amtsantritt haben Sie der Regierung gegenüber Dialogbereitschaft signalisiert. Gab es bereits Gespräche?

Derzeit gibt es noch keine Gespräche. Aber die Gelegenheit wird es geben. Denn wir sind die Vertretung der Muslime in diesem Land, wir sind eine anerkannte Religionsgesellschaft, wir sind eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Und es leben mehr als 700.000 Muslime in Österreich. Darum müssen wir miteinander sprechen. Sonst tun wir uns allen nichts Gutes. Wir lassen jetzt einmal Weihnachten vorüberziehen und am Jahresbeginn wird man schauen, wie man Kontakte knüpfen kann.

Gab es nach Ihrer Wahl eigentlich Grußnoten oder Glückwünsche seitens der Regierungsparteien?

Bis jetzt noch nicht.

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In einigen Punkten dürfte man sich auf reiner Gesprächsebene ohnehin nicht einigen. Etwa beim Kopftuchverbot im Kindergarten, das die IGGÖ ablehnt. Gibt es rechtliche Möglichkeiten, das zu verhindern?

Ich denke schon. Ich werde entsprechende juristische Expertisen einholen, weil für mich zählt der Rechtsstaat. Daher werden wir alle rechtliche Optionen ausloten.

Die Imam-Ausweisungen werden von der Türkisch-islamischen Union Atib ebenfalls angefochten. Was ist da der Stand?

Atib (deren Imame im Widerspruch zum Islamgesetz aus der Türkei bezahlt werden; Anm.) hat den Bescheid beim Verfassungsgerichtshof beeinsprucht, weil man das Verbot der Auslandsfinanzierung nicht nachvollziehen kann. Ein solches gibt es in keinem anderen Religionsgesetz. Hier wartet man auf eine Entscheidung. Aber natürlich hat man ein Problem: Da die Muslime loyale Staatsbürger sind und das Islamgesetz befolgen, haben 65 Moscheevereine bald keinen Imam mehr. Das öffnet Extremisten Tür und Tor. Atib sucht sogar über das AMS Imame. Bis jetzt hat sich aber keiner gemeldet.

Apropos Finanzierung: Damit sich Muslime von ausländischen Einflüssen emanzipieren können, wird in Deutschland aktuell über eine Moschee-Steuer diskutiert. Wäre das Modell auch für Österreich praktikabel?

Eine sogenannte Moschee-Steuer in Zusammenhang mit "ausländischen Einflüssen" überhaupt gemeinsam zu diskutieren, zeigt, dass dieser deutsche Vorschlag kaum Substanz hat. Das sieht man allein schon daran, dass deutsche Islamverbände noch immer nicht als Religionsgemeinschaften anerkannt werden. Aber ohne Anerkennung durch den Staat, kann es keine sogenannte Moschee-Steuer geben. Wenig durchdachte Ideen aus den Reihen der Politik kennen wir auch aus Österreich zur Genüge. Daher setzen wir im Zweifelsfall auf das, was den Islam in Österreich seit Jahrzehnten substantiell trägt: Spenden und Beiträge unserer Mitglieder.

Bleiben wir beim Thema Moscheen: Wie sieht es bei den im Sommer geschlossenen und zwischenzeitlich wieder geöffneten Gebetshäusern der Arabischen Kultusgemeinde aus?

Da liegt der Akt beim Landesverwaltungsgericht Wien, es gibt aber noch keine Entscheidung. Ich werde die Moscheen demnächst besuchen, weil die Arabische Kultusgemeinde darf sich nicht allein gelassen fühlen.

Die Regierung begründete die Moschee-Schließungen mit demokratiefeindlichen Predigten. Die soll es laut einer Studie auch bei der Islamischen Föderation, auf deren Ticket Sie im Schurarat sitzen, gegeben haben. Weiß die IGGÖ überhaupt, was in ihren Gebetsräumen gepredigt wird?

Für uns zählt die Lehre des Islam – die ist beim Kultusamt hinterlegt und gibt den Rahmen für unsere Moscheegemeinden vor. Gegenüber unseren Mitgliedern pflegen wir eine Vertrauensbasis.

Reicht das? Kontrollmöglichkeiten gibt es keine?

Natürlich hätte man die, aber uns ist die Vertrauensbasis wichtig. Mit dem Islamgesetz wurden wir für mehr als 400 Moscheen bundesweit verantwortlich. Da braucht es auch eine gewisse Zeit, bis man infrastrukturelle und personelle Reformen implementiert hat. Ich kenne unsere Kultusgemeinden zwar und vertraue ihnen, bei der Gestaltung der Predigten möchte ich künftig aber mehr mitreden. Dabei ist es mir wichtig, Themen wie das Zusammenleben in der Gesellschaft hervorzuheben. Ich möchte da mehr Austausch mit den Imamen.

Ihr Vorgänger, Ibrahim Olgun, sprach sich im KURIER für Predigten auf Deutsch aus. Gibt es dahingehend Bestrebungen?

Unsere Moscheen werden in der Tat immer multiethnischer. Darum brauchen wir eine gemeinsame Sprache für alle Gläubigen – und das ist Deutsch. Wir brauchen daher Imame, die in Österreich ausgebildet und im Idealfall auch hier sozialisiert wurden.

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Wie ist das zu erreichen?

Die IGGÖ muss sich der Thematik annehmen. Wir hätten da mit der IRPA, wo unsere Religionslehrer ausgebildet werden, auch schon die notwendige Erfahrung. Uns schwebt ein eigener Lehrgang für Imame vor, der zum Beispiel die Absolventen des Bachelor-Studiums an der Uni Wien ansprechen könnte. Ich werde das im Jänner im Obersten Rat zur Sprache bringen. Eine Herausforderung wird es werden, junge Menschen für den Beruf zu begeistern.

Sie haben bei Ihrem Amtsantritt verkündet, Österreichs Muslime besser vor Rassismus schützen und Extremismus bekämpfen zu wollen. Wie denn eigentlich?

Das ist ein Ziel, das ich mir gesetzt habe. Aber allein kann ich das nicht bewältigen. Wir müssen gemeinsam mit der Mehrheitsbevölkerung gegen alle Formen von Rassismus ankämpfen. Extremismus ist für alle gefährlich, vor allem für Jugendliche. Wir müssen Jugendliche, die den Faden verlieren, die keine Perspektive und keine Hoffnung haben, in die Mitte der Gesellschaft holen. Da müssen wir Konzepte entwickeln. Der Beginn ist, das einmal als gesamtgesellschaftliches Problem zu thematisieren. Dafür ist viel Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit nötig. Wir werden da viele Projekte gegen Extremismus starten.

Welche zum Beispiel?

Ich werde am 12. Jänner im Obersten Rat meine Vorhaben vorstellen und sie intern besprechen. Danach werden wir die Dinge auf jeden Fall kommunizieren.

Sieht es nicht so aus, dass Teile der Regierung bewusst antimuslimische Ressentiments schüren, um daraus politisches Kapital zu schlagen? Stichwort: "Pech gehabt, Ali".

Das ist in der Tat eine große Herausforderung. Mein Zugang ist aber, sachlich und auf dem Boden des Rechtsstaates zu agieren. Denn es gilt die Bundesverfassung. Gesetzes müssen verfassungsgemäß sein. Daher werde ich mich den Diskussionen stellen und den Dialog offen angehen. Ich bin gekommen, um zu reformieren und zu professionalisieren. Daher habe ich bereits eine Rechts- und eine Medienabteilung installiert, deren Aufgabe es ist, das Bild der IGGÖ zu verbessern. Ich werde natürlich hinterfragen, wie es überhaupt zu diesem Bild gekommen ist – aber wir müssen in die Zukunft blicken.

Welches Bild der IGGÖ wollen Sie denn vermitteln?

Für mich ist das Bild des Islams in Österreich das von selbstlosen Menschen, die unter der Woche arbeiten und sparen, um am Wochenende die Moschee aufrechtzuerhalten und sich zu engagieren. Das sind wirklich Erfolgsgeschichten. Dieses Bild der Menschen, die als Gastarbeiter nach Österreich gekommen sind und die hier mit ihren bescheidenen Möglichkeiten eine islamische Infrastruktur aufgebaut haben, das ist wertvoll. Das sind Leistungen, die man würdigen muss. Und dieses Bild wollen wir transportieren.

Juden haben zum Teil ein anderes Bild: Viele beklagen einen zunehmenden Antisemitismus von muslimischer Seite. Wie kann man dem entgegenwirken?

Das entspricht zwar nicht meiner persönlichen Wahrnehmung, aber ich nehme das natürlich sehr ernst. Antisemitismus ist ein absolutes No-go. Sichtbare Vertreter einer Religionsgemeinschaft dürfen keine Angst haben müssen, wenn sie auf die Straße gehen. Die Juden haben unsere volle Solidarität – wie wir uns auch die ihre wünschen.

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Apropos Solidarität: Etliche Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich von etablierten Parteien nicht mehr vertreten. Bei der Wien-Wahl dürfte daher wieder eine „Migranten-Liste“ antreten. Hilft oder schadet das der Integration Ihrer Meinung nach?

Schwierige Frage. Ich glaube zwar nicht, dass das der Integration förderlich ist. Aber das ist ja nur das Resultat, was man analysieren muss, ist der Weg dahin. Man muss sich fragen, wie es so weit kommen konnte, dass sich die Menschen von den Parteien nicht mehr vertreten fühlen.

Letzte Frage: Wie geht es Ihnen als Rapid-Fan mit der aktuellen Performance der Grün-Weißen?

Das ist eine traurige Geschichte, zurzeit passt viel nicht. Aber es wird wieder bergauf gehen – da bin ich Optimist.