Felipe wird nicht mehr Spitzenkandidatin bei Tiroler Grünen
Von Christian Willim
Die Analyse der Gemeinderatswahlen und eine Standortbestimmung für die Landtagswahlen im März 2023. Das waren formal die Themen, mit denen sich am Donnerstagabend ein erweiterter Landesvorstand der Tiroler Grünen beschäftigt hat.
Dabei wurde nun klar, dass Ingrid Felipe, grüne Stellvertreterin von VP-Landeshauptmann Günther Platter, bei der Landtagswahl nicht mehr als Spitzenkandidatin antreten wird.
Bei zwei Wahlkämpfen stand die 43-Jährige bereits an der Spitze der Grünen. In dieser Legislaturperiode möchte Felipe bis zum Ende der Legislaturperiode noch ihr Amt ausüben - dies wurde in der digitalen Sitzung des Landesausschusses mit Beifall aufgenommen. "Es ist ein Übergang, der von höchster Professionalität getragen ist und uns Grüne in eine optimale Ausgangslage für die Wahl bringt", kommentierte der Grüne Landessprecher Christian Altweisl.
Im Vorfeld Stillschweigen vereinbart
Bereits im Vorfeld hatte es Spekulationen gegeben, dass Felipe nicht mehr antreten werde, im Detail wollte sich aber noch niemand zu ihrer Entscheidung äußern. „Wir haben Stillschweigen vereinbart“, sagen mehrere Sitzungsteilnehmer unisono. Der Respekt gebiete, dass Felipe ihre Entscheidung selbst öffentlich macht.
Die Vorsicht war wohl auch der Tatsache geschuldet, dass nun politisch einiges in Bewegung kommen könnte. Felipe ist Dreh- und Angelpunkt der Koalition mit der ÖVP, die seit 2013 besteht.
Wer nachfolgen wird, war am Freitag noch nicht klar: Man wolle in Ruhe bis zur Landesversammlung im Juni eine neue Spitze wählen, hieß es vonseiten der Grünen.
„Ich schaue mir das ganz genau an“, hatte Platter in Hinblick auf Felipes Entscheidung zuletzt gesagt. Auf ihren Verbleib im Amt bis zur Wahl pochte VP-Wirtschaftskammerchef Christoph Walser. Felipe sei der grüne „Stabilitätsfaktor“ der Koalition.
Erste Reaktion Felipes: "Persönliche Entscheidung"
„Die Entscheidung war letztlich meine persönliche“, sagte Felipe am Freitagabend am Rande der digitalen Sitzung des grünen Landesausschusses noch gegenüber der APA. Es habe sich einerseits um eine „strategische“ Abwägung gehandelt, was „die Organisation“ betrifft - und andererseits habe es die „persönliche Komponente“ gegeben. „Nach zehn Jahren ist es auch einmal Zeit, dass andere Menschen mit neuen Ideen nach vorne treten“, so Felipe.
Dies sei in fast jeder Managementposition so. Den Rückhalt in der Partei habe sie jedenfalls nach wie vor gespürt: „Viele haben gesagt: 'Mach weiter'.“ Natürlich habe es aber auch die ein oder andere kritische Stimme gegeben, dies sei völlig normal.
Dass sie bis zur Wahl als Landeshauptmannstellvertreterin weitermacht, sei einhellig begrüßt worden, erklärte die grüne Frontfrau. Eine Wunschkandidatin oder einen Wunschkandidaten für die Spitzenkandidatur wollte sie nicht nennen: „Das wäre eine Unart“. Sie sei aber jedenfalls dafür - um die Breite der Partei abzudecken - dass es, wie mittlerweile statutarisch möglich, eine Doppelspitze wird.
"Doppelspitze kein Zwang"
Diese Option war zuletzt mehrmals von den Grünen ins Spiel gebracht worden. Klubobmann Gebi Mair verwies etwa darauf, dass dies eine Möglichkeit sei, aber „kein Zwang“. Mair, der auch als möglicher Kandidat gehandelt wird, wollte sich ob seines Interesses nicht in die Karten schauen lassen. Auch die grüne Soziallandesrätin Gabriele Fischer, der ehemalige Generalsekretär Thimo Fiesel, Nationalratsabgeordnete Barbara Neßler oder LAbg. Georg Kaltschmid könnten sich bewerben.
Die Chancen auf eine Neuauflage von Schwarz-Grün ohne sie wollte Felipe selbst vorerst zwar nicht bewerten, die Karten würden aber sicher „ganz neu gemischt“. Der Landespolitik stünden jedenfalls spannende Zeiten bevor.
Nach der Landtagswahl will sich die 43-Jährige selbstständig machen - und zwar im Beratungsbereich. Die „Prozesse, wie man in Verhandlungen zu einem guten Ergebnis kommt“ - dies wolle sie Klienten weitergeben.
Platter: "Verlässliche Partnerin"
Platter sei von Felipe persönlich über ihre Entscheidung informiert worden, sagte er in einer Aussendung. „Seit zehn Jahren ist sie die verlässliche Partnerin innerhalb der schwarz-grünen Koalition und das bleibt bis zum Ende der Legislaturperiode so“, hielt er fest. „Gerade die Folgen des Ukraine-Krieges erfordern diese bewährte Stabilität und einen Fokus auf die Unterbringung europäischer Kriegsflüchtlinge und Maßnahmen gegen die wirtschaftlichen Folgen und die Teuerungswelle“, so der Landeschef.
Berechenbarkeit, Zuverlässigkeit und Konsensfähigkeit - diese Attribute wurden der 43-Jährigen vom schwarzen Koalitionspartner stets zugedacht, nicht immer zum Wohlwollen von ideologischer gefärbten Teilen der grünen Basis. Seit dem Jahr 2013 trug sie das seinerzeitige Pilotprojekt namens „Schwarz-Grün“ in Tirol wesentlich mit. Die Chemie mit ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter stimmte vom ersten Tag an, wie die APA noch Freitagabend schrieb. Mit kaum jemand anderem an der grünen Regierungsspitze konnten sich Platter und die seinen vorstellen, so weitgehend unaufgeregt zu regieren.
Ideologische Dünkel und Justament-Standpunkte waren der studierten, in Rum bei Innsbruck lebenden Betriebswirtin fremd. Stets der „Realo-Fraktion“ der Grünen zugehörig, setzte sie auf Sachpolitik - garniert mit einer zu viel Intellektualität abholden Leutseligkeit und einer unkomplizierten politischen Wesensart, die sie den hiesigen schwarzen Granden nicht wesensfremd machte. Der „Kulturschock“, der bei manch sehr konservativen Schwarzen im Falle von Grün-Politikern eintritt - er blieb bei Felipe stets aus, so die APA.
Ingrid Felipe, geboren am 22. August 1978 in Hall in Tirol, geschieden, Mutter eines Sohns. Studierte Betriebswirtin. Tätigkeit unter anderem im Tiroler Handballverband sowie als Büromanagerin eines Architekturbüros. Von 2005-2010 Finanzreferentin der Tiroler Grünen. Von 2009 bis 2013 Landessprecherin, ab Mai 2012 Landtagsabgeordnete, seit Mai 2013 Landeshauptmann-Stellvertreterin und Landesrätin u.a. für Umwelt und Verkehr. Im Juni 2017 Wahl zur Bundessprecherin der Grünen. Vier Monate darauf legte sie diese Funktion zurück.