Chronik/Österreich

Schlepper bringen Justiz ans Limit

23 Menschen drängten sich auf der Ladefläche des Ford Transit, den die Polizei in der Nacht auf Mittwoch bei der Simmeringer Heide in Wien aus dem Verkehr zog. Darunter sieben Kinder – völlig dehydriert. Der mutmaßliche Schlepper, ein 39-jähriger Ungar, wurde festgenommen. Im Bezirk Ried (OÖ) lieferte sich ein irakischer Schlepper, 30, Mittwochfrüh eine Verfolgungsjagd mit der Polizei. Nachdem er in eine Straßensperre gekracht war, wurde er festgenommen. Er hatte 22 Flüchtlinge aussteigen lassen. (Mehr zu den beiden Fällen lesen Sie hier.)

Meldungen wie diese zeugen täglich vom Anstieg der Schlepperkriminalität. Jüngste Zahlen des Bundeskriminalamtes (BK) bestätigen das: 457 Schlepper wurden im ersten Halbjahr 2015 in Österreich festgenommen. Im gesamten Jahr 2014 waren es 511. Auch die Zahl der geschleppten Menschen hatte mit 20.369 schon Ende Juni beinahe jene des Vorjahres erreicht – da waren es gesamt 20.768.

Staatsanwälte stark belastet

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Die Schleppungen erfolgen großteils über Südosteuropa. Hotspot bei den Aufgriffen ist das Burgenland. Erst am Mittwoch wurden 97 Flüchtlinge entlang der Bahnstrecke bei Parndorf aufgegriffen. "Schlepper wählen immer öfter die Bahn", erklärt ein Polizeisprecher. Wird der Zug kontrolliert, geht’s zu Fuß weiter. Von den 812 Fällen, die Österreichs Staatsanwaltschaften heuer schon beschäftigt haben, fällt knapp ein Viertel (192) allein auf die Behörde in Eisenstadt.

"Seit April spüren wir eine deutlich höhere Arbeitsbelastung. Wir bewältigen das mit dem bisher vorhandenen Personalstand", sagt Verena Strnad, Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Eine durchschnittliche Verfahrensdauer kann sie nicht nennen: "Wenn ein mutmaßlicher Schlepper mit Flüchtlingen im Auto erwischt wird und diese Zeugen ihn belasten, geht es relativ schnell."

Österreichweit sind im Vorjahr von den 1104 Anzeigen 559 Verfahren von der Staatsanwaltschaft wieder eingestellt worden, bei nur 296 kam es zur Anklage. Die Quote sei aber nur scheinbar schlecht, erklärt Britta Tichy-Martin vom Justizministerium: "Oftmals werden Verfahren abgebrochen oder anderweitig erledigt – zum Beispiel, wenn die Anzeige zunächst auf unbekannte Täter lautet, und diese erst später ausgeforscht werden."

Mit Stichtag 1. Juli 2015 waren 51 Personen rechtskräftig u. a. wegen Schlepperei verurteilt in Strafhaft und 147 in U-Haft. Der Großteil der Schlepper kommt aus Ungarn und Serbien. Die Zahlen werden weiter steigen, sagt Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität: "Man kann von einer hohen Zahl an Menschen sprechen, die unmittelbar vor Schleppungen stehen."

Es war eine ungewöhnlich lange Fahrt, die Taxler Dimitrije S. am 5. August machte: Vier Männer aus dem Iran chauffierte er von Nickelsdorf nach Braunau/Inn. Nach deren Aussage um 1600 Euro. Schon am Tag zuvor soll er zwei Männer transportiert haben. Jetzt sitzt er in Ried in U-Haft, über einen Enthaftungsantrag wurde noch nicht entschieden. Am 24. September steht er wegen des Vorwurfs der Schlepperei vor Gericht.

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„Ein Skandal“, meint sein Chef, Johann Taschlmar, dessen beschlagnahmtes Taxi erst am Mittwoch freigegeben wurde. Seit zwölf Jahren ist S. bei dessen Firma Airporttaxi angestellt. Über GPS-Protokolle will er die Vorwürfe zum Teil entkräften können. S. gab bei der Polizei an, wegen eines Treffens mit einem Freund in Nickelsdorf gewesen zu sein.

Mit den vier Männern habe er 300 Euro bis Linz ausgemacht. Dort hätten sie den Wunsch geäußert, weiter zu fahren. S.: „Ich habe nicht gewusst, dass die Männer illegal in Österreich sind, kann ja nicht von jedem einen Reisepass verlangen.“