Chronik/Österreich

Festnahme von sechs tschetschenischen „Sittenwächtern“ in Wien und Linz

Dem Landeskriminalamt Wien, Ermittlungsbereich Bandenkriminalität, ist es mit Unterstützung des Einsatzkommandos Cobra und der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität Linz gelungen, insgesamt fünf tschetschenische Männer und eine Frau im Alter zwischen 19 und 37 Jahren festzunehmen.

Sie stehen im Verdacht, einer hierarchisch strukturierten Gruppierung anzugehören, die seit zumindest Anfang des Jahres, in mindestens zehn Fällen, aus Tschetschenien stammende Frauen sowie in manchen Fällen auch deren Lebensgefährten oder Familien, die sich der Ansicht der Beschuldigten nach „zu westlich“ und nicht deren Wertevorstellungen entsprechend verhalten, verfolgt, „belehrt“, bedroht oder sogar physisch verletzt zu haben.

Tragen von Badekleidung reichte schon aus

Auf vermeintlich "sittenwidriges Verhalten" wurde die Gruppe in der Regel via Social Media und da besonders über die Fotoplattform Instagram aufmerksam. Die mutmaßlichen Opfer berichteten, dass beispielsweise ein Foto in Badebekleidung oder eine Beziehung zu einer nicht tschetschenisch stämmigen Person ausgereicht hatte, um in den Fokus dieser Gruppierung zu geraten.

Häufig sei aber auch gar keine Beziehung notwendig gewesen, sondern das reine Gerücht - das legen zumindest die gesicherten Chatverläufe nahe, erklärte Polizei-Sprecher Markus Dittrich auf KURIER-Anfrage.

Handys abgenommen und denunzierende Fotos

Die mutmaßlichen Täter sollen sehr systematisch vorgegangen sein. Zuerst stand immer die Kontaktaufnahme und ein Gespräch mit den betroffenen Frauen an. Den Opfern zufolge sollen dort aber bereits erste Drohungen ausgesprochen worden sein. Wenn diese keine Wirkung zeigten, wurden die Familien der Frauen informiert.

In einem weiteren Schritt sollen sogar denunzierende Fotos der Opfer in Moscheen aufgehängt worden sein. Danach kam es zu Sachbeschädigung, Raub und sogar Körperverletzung. Unter anderem wurden den tyrannisierten Frauen ihre Handys abgenommen - so sollten sie davon abgehalten werden, auf Social Media aktiv zu sein. 

Die Angriffe richteten sich auch gegen die Partner der Betroffenen.

Weitere Opfer vermutet

Dass diese Angriffe überhaupt publik wurden, liegt daran, dass einige Frauen sich der Polizei anvertrauten. So ist ein Polizeibeamter von einem mutmaßlichen Opfer an einem Bahnhof angesprochen worden. Eine weitere Frau kam direkt auf eine Polizeiinspektion. Als dann in Wien-Leopoldstadt auch noch eine Funkstreife einschreiten musste, als zwei Tschetscheninnen von Männern bedrängt wurden, kristallisierte sich heraus, dass es sich um ein organisierten Vorgehen handeln könnte.

Innerhalb der Gruppe gab es laut Dittrich sehr hierarchische Strukturen. Die Planung dürfte primär über den ältesten Festgenommenen gelaufen sein. Der 37-Jährige verteilte die Aufträge, die Jüngeren führten diese aus. Zumindest würden darauf die gesicherten Chatprotokolle hindeuten. 

Nach intensiven Ermittlungen erfolgte in den Nachtstunden des 17. Juni schließlich ein koordinierter, simultaner Zugriff an den Wohnadressen der mutmaßlichen Täter in Wien und Linz.

Neben den sechs Festnahmen stellten die Beamten Mobiltelefone, die zur Organisation dienten, diverse Gas- und Schreckschusswaffen sowie 5.000 Euro Bargeld sicher. Die mutmaßlichen Täter wurden wegen zahlreicher strafrechtlicher Delikte angezeigt, insbesondere wegen des Verdachts der mehrfachen Körperverletzung, der Nötigung sowie der kriminellen Vereinigung.

Die Ermittler haben den dringenden Verdacht, dass es noch weitere Mitglieder dieser Gruppierung und dementsprechend weitere Opfer gibt, die Ermittlungen sind im Gange.

Am Rande dieser Ermittlungen tritt auch Martin B., das Todesopfer von Gerasdorf, in Erscheinung. Zwei der verdächtigen Sittenwächter sollen ihm nach einem seiner Videos mit dem Tod gedroht haben. Als Martin B. ermordet wurde, saßen sie allerdings schon in U-Haft. Einer wurde bereits enthaftet.

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