Der Ausverkauf der noblen Skiorte
Es ist ein unscheinbares Haus, in dem der deutsche Formel-1-Star Sebastian Vettel während seiner künftigen Skiurlaube in Lech residieren wird. Auch die Größe seines kürzlich in der Appartementanlage erworbenen Feriendomizils nimmt sich nicht gigantomanisch aus: Vettel kann sich in einer Wohnung mit 138,5 Quadratmetern ausbreiten. Um so imposanter ist der Preis: 3,5 Millionen Euro. Daraus ergibt sich ein Quadratmeterpreis von rund 25.000 Euro.
Für den Dornbirner Anwalt Karl Schelling ist das ein Beispiel dafür, wie wertvoll eine Widmung für eine Ferienwohnung in dem Nobelskiort ist. "Der bebaute Quadratmeter ist in Lech 8000 bis 9000 Euro wert. Bei einer Ferienwohnung sind es rund 20.000 Euro, also doppelt so viel." Schelling vertritt eine ganze Reihe von Mandanten, die eine solche Widmung bei der Gemeinde beantragt haben, denen sie aber verwehrt wurde. Dadurch wurde er einer der schärfsten Kritiker der Vergabepraxis und hat letztlich die EU auf den Plan gerufen.
Der Vorarlberger Landtag reagiert diese Woche mit einer Gesetzeskorrektur. Gestrichen wird jener Passus, wonach Ferienwohnungen von Gemeinden unter "besonders berücksichtigungswürdigen Umständen" gewidmet werden können. "Solche Ermessensentscheidungen sind EU-rechtswidrig", erklärt Schelling.
400 Ferienwohnsitze
In Lech hat sich Bürgermeister Ludwig Muxel mit einer Reihe von Genehmigungen den Vorwurf eingehandelt, diesen Paragrafen dazu genutzt zu haben, um Prominenten wie eben Vettel die begehrten Widmungen zuzuschanzen. Er versicherte stets, selbst wenig von Ferienwohnungen zu halten. Der Druck auf den langjährigen Bürgermeister ist aber, wie berichtet, vor den Gemeinderatswahlen am kommenden Sonntag massiv gestiegen.
Lech droht nun trotz Gesetzesänderung weiteres Ungemach. Wie Muxel bestätigt, liegen derzeit 75 Anträge auf Genehmigungen für Freizeitwohnsitze vor. Laut Schelling müssen die nach der alten Regelung behandelt werden, haben aber wegen der Rechtswidrigkeit des Ermessensparagrafen gute Chancen auf Bewilligung. "Hinter den 75 Anträgen könnten bis zu 400 Ferienwohnungen stecken. Lech könnte zur Gemeinde mit dem größten Anteil an Ferienwohnungen in den Alpen werden." Der drohe auf 60 Prozent zu steigen.
"Kalte Betten" in Zell
Höchst begehrt als Feriendomizil sind auch einige Skiorte im Land Salzburg: In Bad Gastein, Saalbach-Hinterglemm und Kaprun war 2014 jede zweite bis dritte Wohnung ein Zweitwohnsitz, in Maria Alm am Steinernen Meer sind sogar mehr Personen mit Zweit- als mit Erstwohnsitz gemeldet.
In Zell am See im Pinzgau liegt der Anteil bei 22 Prozent. Die "kalten Betten" bezeichnet Bürgermeister Peter Padourek als "das größte Problem" der Gemeinde: "Außerhalb der Saison werden diese Wohnungen selten genutzt und der klassischen Hotellerie fehlen dann die Flächen. Außerdem stellt die Gemeinde die Infrastruktur bereit, es kommt aber kein Geld über die Kurtaxe herein."
Was er dagegen tut? Die Gemeinde könne Anzeige erstatten, wenn jemand seine Wohnung in einem nicht für Zweitwohnsitze ausgewiesenen Gebiet nicht dauerhaft nutzt, erklärt Padourek. "In Verdachtsfällen führen wir Stichproben durch. Einige wissen sich da aber zu helfen. Sie installieren Zeitschaltuhren, damit abends das Licht brennt, oder sie engagieren Leute, die ihnen Hausmüll in die Tonnen füllen", erklärt er.
In Zell sind in den vergangenen zwei Jahren zwei Mega-Projekte mit "touristisch genutzten Appartements" trotz Protests der Bevölkerung verwirklicht worden: Das "Residence Bellevue" und das "Alpin & See Resort". Ein neues Projekt steht in den Startlöchern (siehe Bericht unten).
Ein sogenanntes "Hotel Garni", das für 112 Betten mit vier Angestellten auskommt, wo im Frühstücksraum laut Plänen nicht genug Platz für alle Gäste ist und in das man über eine Tiefgarage eincheckt. Verbirgt sich dahinter in Wahrheit ein luxuriöses Zweitwohnsitz-Projekt? Am geplanten "Lakeview Lodge" in der Forststraße in Zell am See scheiden sich die Geister.
Die Gemeinde hat bereits 2013 in einer Stellungnahme "erhebliche Bedenken" geäußert. 2014 hat die Bezirkshauptmannschaft festgestellt, dass die eingereichten Unterlagen des Projektwerbers, der Firma Architec aus Linz, mangelhaft sind. Eine neue Verhandlung wird im April ausgeschrieben.
Thomas Brandstätter, Sohn eines Anrainers, ist einer von mehr als 90 Verfahrensbeteiligten und will das Projekt bis in die letzte Instanz bekämpfen. "Für uns liegt klar auf der Hand, dass dieses ‚Hotel Garni‘ nur eine Tarnung ist. Ein derartiges Projekt – noch dazu auf einer Liegenschaft der Bundesforste – kann nicht im öffentlichen Interesse sein."
Projektwerber Michael Ehrenfried betont, dass die Appartements "definitiv keine Zweitwohnsitze" sind und sieht dem Verfahren gelassen entgegen: "Ich kann die Ängste nachvollziehen, bin aber zuversichtlich, dass wir unsere Kritiker überzeugen können."