"Kollaps droht": Warnung vor Länder-Blockade des EU-Naturschutzes
Anlässlich der Verhandlungen über das EU-Renaturierungsgesetz (Nature Restoration Law, hier auf den Seiten der Europäischen Kommission) hat eine Allianz aus der Naturschutzorganisation WWF, der Klimabewegung Fridays for Future und dem Biodiversitätsrat einen Kurswechsel von der heimischen Politik gefordert.
"Anstatt sich in den Verhandlungen unter den EU-Vorreitern zu positionieren, reiht sich Österreich zunehmend bei den Bremsern ein", kritisierten die Organisationen am Montag bei einer Pressekonferenz anlässlich des Tages der Biodiversität.
Das geplante EU-Renaturierungsgesetz soll bis 2030 in einem ersten Schritt 20 Prozent der geschädigten Ökosysteme in der Union wiederherstellen - "eine enorme Chance, um der menschengemachten Zwillingskrise aus Biodiversitätsverlust und Klimakrise gegenzusteuern", wie es hieß.
Bei der Konferenz der Landes-Naturschutzreferentinnen und -referenten vergangene Woche in Rust wurde jedoch vor überschießenden Maßnahmen gewarnt. "Im Hinblick auf ein modernes Wachstum und eine dynamische Weiterentwicklung unserer Regionen wäre eine Verpflichtung, den Zustand wie vor 70 Jahren wiederherzustellen, nicht nur ein Rückschritt, sondern hätte massiv Auswirkungen auf die Entwicklung", sagte die burgenländische SPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf im Vorfeld.
"Die Wiederherstellung von Flüssen, Wäldern, Mooren und anderen Ökosystemen bindet Kohlenstoff und ist unverzichtbar für die Anpassung an bereits unumkehrbare Folgen der Klimakrise, beim Hochwasserschutz oder mittels Bestäubung bei der Ernährungssicherheit", sagte hingegen Johanna Frühwald, Sprecherin von Fridays For Future, im Rahmen der Pressekonferenz.
Zudem befürchteten die NGOs ein Aufweichen des European Green Deals. "Angesichts der akuten Klima- und Biodiversitätskrise ist das nicht nur kurzsichtig, sondern geradezu fahrlässig. Gesunde Ökosysteme versorgen uns mit Lebensmitteln und Wasser und schützen das Klima", sagte Joschka Brangs vom WWF.
"Der Artenschwund wird zu einem ernsthaften Problem", warnte auch Thomas Wrbka vom Österreichischen Biodiversitätsrat. "Das ist ganz ähnlich wie beim Fachkräftemangel in der Wirtschaft: Wenn immer mehr Berufe und Wirtschaftszweige wegfallen, droht irgendwann dem gesamten System der Kollaps", sagte der Wissenschafter.
Rahmengesetz gefordert
In der Natur sei die Situation bereits überaus prekär, Österreich habe in Sachen Biodiversität "ein gewaltiges Umsetzungsdefizit", das auch an den zersplitterten Kompetenzen liege. Der Biodiversitätsrat fordert daher ein Bundes-Rahmengesetz, um einheitlicher vorgehen zu können. Die jetzige Situation "halten wir für sehr gefährlich", so Wrbka.
Jeweils über 80 Prozent der geschützten Arten und Lebensraumtypen sind dem WWF zufolge hierzulande in keinem günstigen Erhaltungszustand. Auch der Bodenverbrauch ist mit über elf Hektar pro Tag "extrem hoch".
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"Die Bundesländer sind hier federführend zuständig, wehren sich aber gegen neue EU-Naturschutz-Pläne und intervenieren beim Bund gegen eine verbindliche Wiederherstellung zerstörter Ökosysteme", kritisierte Brangs.
Auch Greenpeace verwies in einer Aussendung auf die Dringlichkeit, den zunehmenden Trend des Artensterbens umzukehren. Betrachte man Lebensräume und Arten, die unter die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU fallen, zeige sich ein drastisches Bild: "Über 80 Prozent der Lebensräume und 85 Prozent der Arten haben keinen 'günstigen Erhaltungszustand', das heißt sie sind gefährdet auszusterben - damit ist Österreich im europäischen Vergleich trauriger Spitzenreiter im Artensterben", hieß es.
Anders sah dies Landwirtschaftskammer Österreich-Präsident Josef Moosbrugger. "Im Jahr 2023 gibt es so viele Biodiversitäts- und Naturschutzflächen wie noch nie zuvor", meinte er in einer Aussendung. Durch hochwertige ÖPUL-Naturschutzflächen und die Anlage von Biodiversitäts- und Brachflächen würden die österreichischen Bauernfamilien insgesamt 210.000 Hektar Agrarflächen für die Umwelt bereitstellen "und verzichten auf Ertrag".