Einbrüche: In einer Minute ist die Tür offen
Von Kid Möchel
Gekippte Fenster, unversperrte Türen und nicht scharf gestellte Alarmanlagen – die Österreicher machen es Einbrechern viel zu leicht. "Wir Österreicher sind bequem. Aber Sicherheit und Bequemlichkeit vertragen sich nicht. Ich erlebe jeden Tag als Schadensbegutachter für Versicherungen, dass Türen und Schlösser nicht versperrt werden", sagt der Sachverständige und Berufsdetektiv Robert Goliasch im Gespräch mit dem KURIER. "Am häufigsten höre ich von Opfern: Ich habe nicht gedacht, dass das mir einmal passiert."
Laut einer Studie der aktuellen Wirtschaftskammer Wien könnten fast drei Viertel der Einbrecher durch sichtbare sicherheitstechnische Vorkehrungen (Sicherheitstüren, Alarmanlagen, Sicherheitsschlösser) von einer Tat abgehalten werden.
Zu ebener Erde und im Dachgeschoß
Fakt ist: Die Täter suchen in erster Linie leicht zugängliche Wohnungen heim. In einem Mehrparteienhaus sind die untersten zwei Geschoße das Ziel, weil die Täter von dort schnell fliehen können; und auch das Dachgeschoß, weil sie dort meist ungestört sind und den Lift blockieren können. Sie wissen auch, wann niemand zu Hause ist.
In der Regel knacken die Täter nicht das Schloss, sondern reißen das Türblatt oder das Schließblech mit Gewalt heraus. Dazu benutzen sie Brecheisen, Schraubenzieher und Hydraulikwerkzeuge.
"Ich hatte auch Täter, die haben die Sockelblenden in den Küche weggerissen, um zu schauen, ob dahinter Geld oder Schmuck versteckt ist", erzählt der Sicherheitsexperte. "Wenn die Täter nicht gestört werden, dann nehmen sie sich viel Zeit, um alles zu durchsuchen." Nachsatz: " Auch Kleinelektronik ohne Ortungsfunktionen und hochwertige Bekleidung nehmen sie mit."
Kamera-Drohne
In einem Fall fand Goliasch eine abgestürzte Kamera-Drohne, mit der eine Siedlung in Wien ausspioniert wurde. Mitunter grasen die Täter ganze Wohngebiete ab. "Sie arbeiten sich Gegend für Gegend durch. Eine Woche wird in Vösendorf, die nächste in Leopoldsdorf und die übernächste in Biedermannsdorf eingebrochen", sagt er. "Sie erhalten Tipps von Landsleuten, viele sind auch spontan unterwegs." Die Tätergruppen stammen unter anderem aus Ost- und Südosteuropa.
Täter können Warnschilder nicht lesen
Selbst ein "Wachhund" schreckt sie nicht immer ab. "Ich habe es erlebt, dass Täter den Hund in den Abstellraum sperrten", sagt Goliasch. "Die meisten können die angebrachten Warnschilder, Vorsicht Hund, ja gar nicht lesen." Außerdem wissen geübte Täter, dass Wohnungen mit auffälligen Aufklebern wie "alarmgesichert" oft überhaupt nicht gesichert sind. "Ich halte von den Aufklebern überhaupt nichts", sagt der Sachverständige.
Ein Schuss ins Knie
Auch die digitalen Technologien bergen Gefahren. Das Stichwort heißt: Smart Home. Ein Schloss mittels einer App, einem Fingerabdruck oder Augen-Scan zu betätigen, ist hochriskant. "Biometrie und Sicherheit passen nicht zusammen und Biometrie hat im Privatbereich nichts verloren", sagt Experte. "Das Verkaufsargument ist, man kann keinen Schlüssel mehr verlieren. Fakt ist aber, dass die Verkäufer nicht das Herz haben, dazuzusagen, dass diese Systeme nur einen depperten Türöffner wie bei einer Gegensprechanlage steuern. Das heißt, die Tür fällt bloß ins Schloss und ist nicht versperrt." So benötigt man bei einem "smarten Schließsystem" zusätzlich ein elektronisches Schloss oder Motorschloss. Und die sind teuer. Goliasch: "Ohne ein elektronisches Schloss ist ein Fingerprint-Türsystem ein Schuss ins Knie."
Laut Wiener Polizei wurden im Vorjahr 6173 Anzeigen wegen Einbrüchen erstattet, das ist ein Minus von 12,7 Prozent zum Vergleichszeitraum 2015. Von der offiziellen Kriminalstatistik hält Goliasch, der auch Obmann der Wiener Berufsdetektve ist, wenig. "Die Zahl der Einbrüche hat sich seit 2001 auf hohem Niveau eingependelt, viele Einbruchsversuche werden von den Betroffenen mangels Schäden beziehungsweise wegen der geringen Schäden erst gar nicht bei der Polizei angezeigt", sagt Goliasch zum KURIER. "Auch werden mitunter mehrere Fällen von der Polizei zu einer Aktenzahl zusammengefasst." Nachsatz: "Fest steht aber, dass die Schadensbegutachter der Versicherungen mit der Aufarbeitung der vielen Fälle nicht nachkommen." Vor allem die Einbrüche in Büros und Gewerbebetriebe haben laut seiner Erfahrung in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen - und zwar in Wien und Niederösterreich.
Plattform „Sicher daheim“
Die drei wichtigsten Maßnahmen zum Schutz von Wohnungen sind: Sicherheitstüren, Alarm- anlagen u. Sicherheitsschlösser. Kunden erhalten eine stressfreie Beratung, abgestimmt auf die individuelle Situation. Seriöse Glaser, Schlosser, Tischler sowie Sicherheitsfirmen und -berater nützen die Notlage von Einbruchsopfern nicht aus und machen beim Kauf keinen Druck.