Ein Urteil geht unter die Haut
Ein Urteil des OGH geht den Tätowierern des Landes unter die Haut. Wie berichtet, steht einer Kärntnerin Schadenersatz zu, nachdem sie auf ein Tattoo schwer allergisch reagierte. Sie sei fehlerhaft über die Risiken aufgeklärt worden, erklärte sie. Wäre sie aufgeklärt worden, hätte sie ein Probestechen durchführen lassen und sich dann gegen die Tätowierung entschieden. Ihr steht Schadenersatz zu.
Yvonne Reisinger, Betreiberin des beklagten Studios, ist über das Urteil entsetzt: „Wir halten uns an alle Vorschriften, klären auf, tragen Mundschutz, Kopfbedeckung und Schürze. Wir sind ein Vorreiter in der Branche. Im kommenden Jahr feiern wir 20. Jubiläum. So einen Fall gab es noch nie.“
Mehrere OPs
Konkret litt die klagende Frau an einer genetisch bedingten Allergie auf Rottöne in der Tattoofarbe. Nur: Das wusste sie nicht, als sie sich eine großflächige bunte Tätowierung mit Blumen und Daten der Tochter am rechten Unterschenkel stechen ließ. Wenig später begann die Stelle zu jucken, es bildeten sich Pusteln. Sie musste ins Spital, mehrere Operationen waren nötig, sogar Haut musste transplantiert werden.
Dass die Kundin fehlerhaft aufgeklärt worden sei, stellt Reisinger in Abrede. „Unsere Aufklärung ist sehr präzise, wir arbeiten auch mit einem Hautarzt zusammen. Aber wenn jemand unterschreibt, keine Allergie zu haben und diese Unterschrift dann vor Gericht nicht gilt, kann es das nicht sein. Eine gewisse Verantwortung muss beim Kunden bleiben.“
Ärztliche Bestätigungen werden in Allergiefällen, aber auch bei Krankheiten, immer öfter in der Branche verlangt. Wobei: Auch die haben ihre Lücken, wie Fritz Horak vom Allergiezentrum Wien West sagt: „Wir können nur einen Teil der Farbstoffe testen. Und es ist durchaus möglich, dass Reaktionen auf die Tätowierung erst nach Jahren auftreten. So etwas ist nicht vorhersehbar.“ Grundsätzlich würden vorhandene Allergien nicht darauf schließen lassen, dass ein erhöhtes Risiko bei einer Tätowierung besteht. Allzu oft sei die Vorab-Kontrolle aber ohnehin nicht gefragt: „Bei uns kommt vielleicht einmal im Monat jemand vorbei.“
Grenzgang
„Kunden regen sich darüber auf, wenn wir eine ärztliche Erklärung von ihnen verlangen. Wo ist künftig die Grenze? Wenn jemand eine Stauballergie hat? Wir müssen uns intern zusammensetzen und das klären“, sagt Reisinger.
Ein Probestechen, das der betroffenen Kärntnerin die schwerwiegenden Folgen erspart hätte, ist aber auch jetzt nicht verpflichtend. Es wäre auch nur schwer durchführbar. Denn ist die Tätowierfarbe erst einmal geöffnet, muss sie binnen 30 Tagen verwendet werden. Wie lange nach einem Probestechen auf allergische Reaktionen gewartet werden sollte, ist unklar. Und die nächste Farbe, so erklärt ein Tätowierer, könne schon wieder leicht veränderte Inhaltsstoffe beinhalten.
„Die Branche ist bemüht, Arbeit auf höchstem Niveau anzubieten. Uns ist nur dieser eine Beschwerdefall bekannt. Und es ist traurig, dass die Rechtsinstanzen nicht überzeugt werden konnten, dass wir gewissenhaft aufklären“, meint Bundesinnungsmeisterin Dagmar Zeibig.