Die Schweizer kommen
Bei euch gibt’s Après-Ski!", antwortet Claudia wie aus der Pistole geschossen auf die Frage, warum sie in Österreich Urlaub macht. Die 36-Jährige, die in der Nähe von Zürich wohnt, ist mit ihren zwei Freundinnen für ein verlängertes "Frauen-Wochenende" in Ischgl, Tirol. "Die Schweizer Berge sind superschön, aber hier bekommen wir wesentlich mehr für unser Geld geboten", sagt sie. Für eine Skilift-Tageskarte hat sie in Ischgl 48 Euro bezahlt, in ihrer Heimat wären es etwa 75 Euro gewesen.
Grund ist der starke Franken, der seit Mitte Jänner den Schweizer Touristikern die Sorgenfalten auf die Stirn treibt (Wechselkurs aktuell: 1,04 Franken für 1 Euro, Anm.). Urlaub bei den Eidgenossen ist teurer geworden. Ein großes Bier kostet zwischen sechs und neun Euro. Im weltbekannten Zermatt am Matterhorn kündigt laut Schweiz am Sonntag jeder fünfte Hotelier an, sein Unternehmen in den nächsten drei Jahren zu verkaufen.
Großzügige Gäste
Claudia und ihre Freundinnen gehören zur Vorhut des Ansturms an "Fluchturlaubern", den die heimische Tourismuswirtschaft in dieser Wintersaison noch erwartet. Dies kündige sich durch die vielen spontanen Buchungen an, die seit Mitte Jänner eintrudeln, sagt Andreas Steibl, Geschäftsführer des Tourismusverbands in Ischgl: "Wir haben etwa zehn Prozent mehr Anfragen als um diese Zeit im Vorjahr. Ischgl war schon immer eine beliebte Destination, aber heuer könnte ein besonders gutes Jahr werden." Die Schweiz sei der drittgrößte Markt hinter Deutschland und Holland.
Niki Ganahl vom Hotel Piz Buin meint sogar bemerkt zu haben, dass seine Schweizer Gäste derzeit besonders großzügig seien. "Sie leisten sich mehr, weil bei uns sogar das hochpreisige Segment noch immer günstiger ist als bei ihnen zu Hause", sagt er. Die Statistik gibt im recht: Die Tagesausgaben eines Schweizers liegen bei etwa 173 Euro, alle anderen geben im Schnitt 155 Euro aus.
Über dieses Geld dürfen sich vor allem die Tiroler freuen. Etwa die Hälfte der Schweizer Urlauber in Österreich kommt laut Florian Neuner von "Tirol Werbung" dorthin – obwohl Vorarlberg ja näher wäre. Die Top-5-Regionen sind, gemessen an den Nächtigungen: Serfaus-Fiss-Ladis, Paznaun-Ischgl, Ötztal, Innsbruck und Seefeld.
"Wir bearbeiten den Schweizer Markt schon seit Jahren intensiv mit Werbemaßnahmen. Mittel- bis langfristig werden wir das intensivieren", sagt Neuner.
2,1 Mio. Nächtigungen
Mit dem Wörtchen "Boom" ist man bei der "Österreich Werbung" aber noch vorsichtig. In der Saison 2010/’11, als der Franken ähnlich stark war wie jetzt, habe es einen sprunghaften Zuwachs von 12,6 Prozent gegeben (siehe Grafik). Mit der Stabilisierung des Währungskurses sei der Zuwachs bereits 2012/’13 auf 3,6 Prozent gesunken, gibt Geschäftsführerin Petra Stolba zu bedenken. Im Winter 2013/’14 hat der Österreich-Tourismus 2,1 Millionen Schweizer Gäste verzeichnet.
Ob Après-Ski-Gaudi und günstige Preise die Eidgenossen diesmal lang anhaltend überzeugen können, sei also noch abzuwarten. "Das kann frühestens in ein paar Wochen beurteilt werden, wenn sich die Märkte stabilisiert haben", sagt Stolba.
Die Befürchtungen der heimischen Tourismuswirtschaft sind wahr geworden: Die Russen bleiben in dieser Wintersaison aus – zumindest die Mittelschicht, denn an „reichen Russen“ gibt es laut Florian Neuner von „Tirol Tourismus“ in den Top-Destinationen Ischgl, Mayrhofen und Sölden (Tirol) noch immer genug.
Das Minus tut trotzdem weh: Österreichweit hat es im November und Dezember bei den russischen Gästen um 24,5 Prozent weniger Ankünfte gegeben. Die Zahlen für den Jänner – der mit Abstand wichtigste „Russenmonat“ – liegen erst Ende Februar vor.
Schuld sind die Währungsschwankungen. Während der „Frankenschock“ für die Schweizer einen Urlaub in Österreich attraktiver macht, ist dieser für Russen beinahe doppelt so teuer geworden. Aktuell legt man 75,9 Rubel für einen Euro hin. Im Frühjahr 2014 waren es noch knapp 40 Rubel.
Stark zugelegt haben die Gäste aus Italien: In dieser Saison beträgt der Zuwachs bereits stolze 14,7 Prozent. Noch besser läuft es nur mit den Polen mit einem Plus von 17,5 Prozent. In absoluten Zahlen ist Deutschland trotz eines leichten Minus von 1,7 Prozent aber noch immer an der Spitze der Herkunftsländer: 5,4 Millionen Nächtigungen, dahinter liegen die Niederlande mit etwas mehr als einer Million.