Chronik/Österreich

Die neue Kirchenordnung: Desinfektionsmittel statt Weihwasser

Pfarrer Stefan Ulz und sein Team haben längst ausgerechnet: Maximal 280 Gläubige dürfen gleichzeitig die Gottesdienste im Seelsorgeraum Graz-Südost besuchen - und da sind alle Kirchen zusammengezählt. „Ich glaube, wenn die Menschen das gesamte Angebot vor Augen haben und nicht nur ihre Stammkirche, wird das ganz gut klappen“, zeigt sich Ulz zuversichtlich.

Morgen, Freitag, 7.30 Uhr, geht es in der Pfarrkirche St. Peter in Graz wieder los. Ein Kaplan hält die erste Messe, an der Besucher direkt teilnehmen dürfen. 50 Gläubige dürfen maximal in die Kirche im Grazer Osten. In der Größten in Ulz’ Seelsorgeraum, jener in Thondorf, sind es maximal 65.

Anzahl erhöht

„Das ist nicht viel“, überlegt Ulz, immerhin gibt es 12.000 Katholiken in seinem direkten Einzugsgebiet. „Bei der Vorabendmesse an Samstagen und den Sonntagsmessen sind immer weit mehr gekommen als jetzt Platz haben dürfen.“ Denn auch in Gotteshäusern gelten die neuen weltlichen Regeln: Besucher müssen Mund-Nasen-Schutz tragen und mindestens zwei Meter voneinander Abstand halten. Damit alle, die an Gottesdiensten teilnehmen wollen, dies auch können, wurde deren Anzahl erhöht.

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Per Postwurf erging an alle Haushalte eine Übersicht. Ulz hofft, dass sich die Besucher auch etwas auf die Pfarren im Verbund verteilen. „Es kann natürlich trotzdem sein, dass zu wenig Platz ist“, überlegt er und appelliert an die Solidarität. „Vielleicht kann eine Familie nur eine Vertretung schicken, dann haben drei andere Platz. Man soll den Blick auch auf das Bedürfnis der anderen richten und nicht nur sagen, wir sind die Ersten und haben unseren Platz.“

Keine Voranmeldung

Ein Anmeldesystem wurde überlegt, aber verworfen. Mitglieder des Pfarrgemeinderates achten am Eingang darauf, dass die Höchstanzahl nicht überschritten und in den Kirchenreihen selbst die Mindestabstände eingehalten werden. Die Sitzplätze sind markiert; wo man sich niederlässt, ist jedem selbst überlassen. Wie in Restaurants Gäste zum Platz zu begleiten, lehnt Ulz ab. „Ich habe ein großes Grundvertrauen, dass sich die Menschen vernünftig verhalten.“

Ulz selbst trägt während der Messe keine Maske. Er steht weit genug entfernt, auch von den Ministranten, die den obligaten Schutz verwenden müssen. Für die Kommunionsspende setzt der Theologe ein Plexiglas-Visier auf, nicht ohne sich zuvor vor aller Augen die Hände zu desinfizieren. Diese Möglichkeit haben die Besucher auch am einzigen geöffneten Eingang. „Desinfektionsmittel statt Weihwasser“, schmunzelt Ulz. „Aber das ist schon auch eine gewisse Analogie, das Weihwasser erinnert ja an die Reinigung durch die Taufe.“

Kreativ denken, nicht jammern

Die Lösung der noch ungeklärten Frage – wie tun mit kirchlichen Veranstaltungen, Firmungen und Erstkommunionen – musste auf unbestimmte Zeit verschoben werden. „Man muss kreativ denken und nicht jammern“, mahnt der Pfarrer. „Wer sagt, dass man eine Firmung nicht auch in einem normalen Gottesdienst machen kann oder Freitagnacht um zehn Uhr, wenn die Jugendlichen normalerweise ausgehen?“

Video-Messe bleibt

Kreativität bewies der Grazer Pfarrer schon in den vergangenen Wochen. Er feierte Messen mittels Videokonferenzen. „Nur streamen wollte ich nicht. So waren die Menschen direkt eingebunden.“ An die 100 waren oftmals am Sonntag live dabei. „Da waren auch viele, die ich vorher nicht in der Kirche gesehen haben“, freut sich Ulz. Weil die Internet-Messen so gut angenommen wurden, will er sie fortsetzen.