Chronik/Österreich

Causa Aliyev: Agenten-Jagd auf einen Staatsanwalt

Rechtsanwalt Gabriel Lansky steht im Verdacht, in der Causa Aliyev für den kasachischen Geheimdienst KNB spioniert zu haben. Unter anderem vermuten die Behörden, dass er Adressen von in Wien lebenden Kasachen ausspioniert habe. Jetzt liegt ein weiterer Vorwurf bei der Staatsanwaltschaft. Demnach habe der Advokat Privatermittler nicht nur auf Kasachen, sondern auch auf Staatsanwälte angesetzt.

Im Mai 2011 machte sich Staatsanwalt S. auf die Reise zu einem Juristensymposium nach Malta. Dort hielt sich damals auch Rakhat Aliyev auf, gegen den der Staatsanwalt ermittelte. Was sich dann abspielte, ist in einem Bericht einer Münchner Sicherheitsfirma enthalten, der dem KURIER vorliegt.

Demnach fragte die Kanzlei Lansky Mittwoch, 25. Mai, bei den Detektiven an, ob sie Dr. S. in Malta observieren könnten. Kurzfristig wurde Personal abgestellt. Die Passagierdatenbanken wurden durchforstet. Eine nicht näher genannte Behörde winkte beim Wunsch nach Unterstützung ab. Denn der Gesuchte sei ermittelnder Staatsanwalt gegen Aliyev.

Rollkommando

Während die Detektive auf dem Weg zum Flughafen waren, ermittelte laut Bericht das Büro Lansky bei den Hotels. Der Staatsanwalt wurde im Le Méridien ausfindig gemacht. Freitagfrüh traf das Rollkommando aus München im Hotel ein. Die Agenten erfuhren, dass der Staatsanwalt bis Sonntag gebucht hatte. Doch sie fanden ihn weder beim Frühstück noch in der Umgebung, und über die Juristentagung konnten sie ebenfalls nichts in Erfahrung bringen. Die Zimmernummer ermittelten sie mit einem Trick. Ein Agent gab ein leeres Kuvert für den Staatsanwalt ab. Ein weiterer Agent folgte dem Hotel-Pagen bei der Zustellung. Der Staatsanwalt hatte die Zimmernummer 710. Doch er war nicht da.

Erst Samstagabend entdeckten sie ihn in einer Gruppe von Österreichern und schickten ein Foto ans Büro Lansky: "Das Foto ist zwar nicht besonders gut, aber ist er das?" Er war es. Doch am Sonntag gelang nur mehr eine Videoaufnahme beim Frühstücksbuffet. Dann konnte sie noch einen Hafenrundgang mit einem befreundeten Richter und die Abreise zum Flughafen dokumentieren. Ein Treffen mit Aliyev wurde nicht festgestellt.

Die Frage, ob das Bespitzeln von Staatsanwälten zu den Aufgaben von Detektiven gehört, wurde von der Münchner Firma nicht beantwortet. Und Lansky ließ durch seinen Medienberater Herbert Langsner ausrichten: "Nachdem von der Aliyev-Verteidigung mehrfach mutmaßlich gefälschte oder manipulierte Unterlagen vorgelegt werden und an die Medien gelangen, sieht sich die Kanzlei LGP nicht in der Lage, diese angeblichen Dokumente im Einzelnen zu überprüfen und auf jede Anfrage einzugehen. Wir ersuchen daher um Verständnis, dass wir Ihre Anfrage nicht kommentieren wollen."

Der Staatsanwalt merkte nichts von der Observation. Er fragte sich damals nur, warum ihm jemand ein leeres Kuvert ins Hotelzimmer zugestellt hatte. Erst jetzt kennt er die Antwort.

Der gegen Aliyev ermittelnde Staatsanwalt S. verhielt sich in den Augen der Kasachen unbotmäßig. Am 9. Februar 2011 berichtete ein Vertreter Kasachstans an den Chef der Abteilung für internationale Angelegenheiten in der Generalprokuratur in Astana, dass das Verhalten des Staatsanwaltes bei der Vernehmung eines kasachischen Zeugen "völlig absonderlich" gewesen sei. Der kasachische Agent stufte in seinem Bericht den psychologischen Zustand des Staatsanwaltes "nahe einer Krankheit" ein. Und er bedauert, dass seine Intervention bei der Leitung der Staatsanwaltschaft erfolglos gewesen wäre.

Am 15. Mai 2009 kam es zu einer Besprechung des Anwaltes Lansky mit Vertretern der kasachischen Botschaft. Daraus entstand ein Strategiepapier mit dem Titel Projekt "Aliyev". Darin kommt wieder der Staatsanwalt zu zweifelhafter Ehre.

Risiko

Die Staatsanwaltschaft Wien sei überfordert, der Staatsanwalt würde die Fassung verlieren. Es wird als Risiko bewertet, wenn sich die 1. Instanz durchsetzt. Daher sei sicherzustellen, dass nicht nur Staatsanwalt S., sondern alle drei Hierarchien der Staatsanwaltschaft involviert würden. Es wird auch eine Liste dazugelegt, mit welchen Personen man in der Oberstaatsanwaltschaft, dem Justizministerium und in der Generalprokuratur zusammenarbeiten solle. Staatsanwalt S. ist inzwischen in Pension.