Chronik/Österreich

Brisante Anklage: Korruptionsskandal bei Wiener Wohnen

„Wir machen ja gar nix. Außer putzen eventuell.“ – „Auch net, wenn’s kaputt is?“ – „Na. Es sind alle kaputt. Wir machen trotzdem nix.“

„Bei manchen Bauten haben wir, glaub ich, 200 Kellerfenster repariert“ – „Und immer wieder dasselbe, gell?“

Es sind entlarvende Tonaufnahmen, die von den Beschuldigten selbst angefertigt wurden. Von Besprechungen über mutmaßliche groß angelegte Tricksereien bei Reparaturen. Auf Kosten des Gemeindebau-Instandhalters Wiener Wohnen. Wie hoch der Gesamtschaden ist, ist nicht ganz klar. Der Staatsanwalt selbst setzt in der 44-seitigen Anklageschrift, die dem KURIER vorliegt, beim Betrag von 169.199,06 Euro ein Fragezeichen dazu.

Beschuldigte bestreiten

Insgesamt 53 Beschuldigte, darunter 45 Gemeindebedienstete, werden in der Causa, die in die Jahre 2011 bis 2013 zurückgeht, aufgelistet – die Krone berichtete zuerst darüber. Es geht um Bestechung und Bestechlichkeit. Die Vorwürfe werden bestritten.

Eigentlich werden bei Wiener Wohnen Reparaturen so abgewickelt: Wird in einem Gemeindebau ein Schaden wie ein Glasbruch gemeldet, müssen die Werkmeister diesen überprüfen, bevor eine Glaserei, mit der ein Rahmenvertrag besteht, beauftragt wird. Doch die angeklagten Werkmeister sollen die Kontrollen der Schäden nicht durchgeführt haben. Denn: Der Betreiber von mehreren Handwerksfirmen soll auf die Idee gekommen sein, dass seine eigenen Monteure den Werkmeistern die Kontrollen abnehmen.

„Da die Werkmeister von vornherein nicht feststellten, ob es überhaupt notwendig war, die Aufträge zu erteilen und auch nachher nicht überprüften, ob Aufträge durchgeführt wurden, war es ein Leichtes, tatsächlich nicht eingetretene Schäden zu melden und derart Scheinaufträge zu generieren“, heißt es in der Anklage. Oder anders gesagt: Es wurden etwa Fensterscheiben verrechnet, obwohl diese gar nicht getauscht wurden. Und weiterhin kaputte Fenster sollen mehrfach als reparierte fakturiert worden sein.

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Im Gegenzug für ihre „Faulheit“ wurden die Gemeindebediensteten angeblich bestochen. Sie sollen drei Prozent der Auftragssummen in Form von Tankgutscheinen, Vignetten und/oder Bargeld erhalten haben. Zur Freude der Ankläger haben die Mitarbeiter der Handwerksfirmen penibel „Gutscheinlisten“ geführt. Alleine auf einen Werkmeister sollen Tankgutscheine im Wert von 15.020 Euro entfallen.

Der renommierte Strafverteidiger Norbert Wess vertritt 18 beschuldige Wiener-Wohnen-Mitarbeiter. „Wir prüfen die Anklage derzeit umfassend. Meine Mandanten bestreiten nach wie vor die Vorwürfe“, sagt Wess zum KURIER. „Wir sind aber froh, dass das Verfahren jetzt einer gerichtlichen Klärung zugeführt wird, weil das Ermittlungsverfahren sehr lange gedauert hat.“ Im Herbst 2016 war der Fall aufgeflogen.