Chronik/Österreich

Brenner: Zug flog mit 126 km/h aus der Kurve

Die gute Nachricht ist, dass die Zahl der Bahnunfälle in Österreich zurückgeht. Laut nun veröffentlichten Zahlen des Verkehrsministeriums gab es im Vorjahr 18 Tote bei Unfällen (inklusive Bahnübergänge) – die geringste Zahl seit vielen Jahren. Die Zahl der Zugunglücke sank von 87 auf 60.

Dennoch gibt es eine „signifikante Unfallserie“ aufgrund menschlichen Versagens, die bis heute nicht aufgeklärt ist. Einer der Vorfälle war offenbar noch weit dramatischer als bisher bekannt, wie ein neuer Unfallbericht des Verkehrsministeriums zeigt. Fünf Minuten und 14 Sekunden lang versuchte ein Lokführer am Brenner seinen Güterzug abzubremsen. Erst die Entgleisung von vier Waggons bei 126 km/h, die einen Schaden von vier Millionen Euro und eine fast dreiwöchige Sperre der Brennerstrecke verursachte, verhinderte vermutlich einen noch weit schlimmeren Unfall.

Laut dem 88-seitigen Dokument soll der Lokführer am 22. Dezember 2017 vergessen haben, die Luftabsperrhähne vor Fahrtantritt wieder zu öffnen. Diese sorgen für das Funktionieren der Bremse, denn damit wir der Druck in der Bremsleitung abgesenkt.

Statt der üblichen Bremsprobe vor Fahrtantritt an der italienischen Grenze wollte der Triebfahrzeugführer dies offenbar erst bei 30 km/h durchführen – allerdings vergeblich. Denn der Bremsruck war zu gerung.

Alle Inhalte anzeigen

Da es steil bergab ging, wurde der Zug immer schneller. Bei rund 40 und 50 km/h misslangen Versuche einer Zwangsbremsung. Weder das automatische Zugsteuerungssystem (ETCS) noch das Nichtbetätigen der Totmanntaste (Diese muss alle 30 Sekunden mit dem Fuß gedrückt werden, um eine Notbremsung zu verhindern, Anm.) konnte den Güterzug stoppen. Es folgten hektische Telefonate mit den Fahrdienstleitern – das letzte bei Tempo 110.

Bei 126 km/h stürzten in einer leichten Kurve (erlaubt sind hier 50 km/h) fünf Sattelauflieger vom Zug, auch vier der 15 Waggons entgleisten. Erst durch diese Entkoppelung sank der Druck in den Leitungen, der Zug konnte im Stafflachtunnel anhalten. Der Lokführer blieb unverletzt.