Chronik/Österreich

Jede zweite Rettungsgasse funktioniert

Die Rettungsgasse auf der Wiener Außenringautobahn „ist ein Horror“, schreit der Allander Feuerwehrmann Joachim Zagler live im Radio – während im Hintergrund das Martinshorn tönt. Der Retter steckte Anfang Dezember dermaßen im Stau fest, dass er kurzerhand via Ö3-Verkehrsnachrichten aufrief, die Lenker sollten doch bitte endlich eine Rettungsgasse bilden: „Ich habe meine Leute schon vorschicken müssen, um den Weg freizumachen.“ (siehe unten.)

Nur etwa jede zweite Rettungsgasse funktioniert. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Kuratoriums für Verkehrssicherheit unter 1000 Autofahrern. Zwar wissen 98 Prozent der Lenker, was die Rettungsgasse ist, bei der Umsetzung scheint es aber Mängel zu geben. Das ist wohl ein Grund dafür, dass vor einem Jahr noch 71 Prozent die Rettungsgasse für „sehr sinnvoll“ hielten, aktuell aber nur mehr 57 Prozent.

Autoclubs skeptisch

Auch der ARBÖ hat seine Pannenfahrer befragt, mit dem Ergebnis: „Bei zwei Spuren funktioniert es, bei mehreren gibt es öfter Chaos“, sagt ARBÖ-Sprecher Thomas Woitsch. Beim ÖAMTC heißt es: „Es kommt einfach noch zu häufig vor, dass die Rettungsgasse nicht richtig gebildet oder vorschriftswidrig befahren wird“, sagt ÖAMTC-Chef Oliver Schmerold.

Kurios: Die Asfinag hatte zu Wochenbeginn Blaulichtorganisationen und Automobilclubs per Mail aufgefordert, man möge doch zur Bilanz positive Presseaussendungen zur Rettungsgasse schreiben. Zumindest die Chefs der großen Blaulichtorganisationen (von Feuerwehr bis Rotem Kreuz) zogen am Mittwoch das erwünschte Resümee: „Wenn einer in die Rettungsgasse hineinfährt, heißt es ja nicht, dass sie nicht funktioniert“, sagt Brigadier Martin Germ vom Innenministerium. Er sprach davon, dass es bisher „Hunderte Strafen“ gab, eine genauere Bilanz gibt es nicht.

Auch fehlt der Nachweis, dass die Einsatzkräfte durch die Rettungsgasse schneller als über den Pannenstreifen am Unfallort sind. Einzig der nö. Notruf 144 hat einen Vergleich parat. Bei den Anfahrtszeiten habe es 2012 zum Vorjahr eine leichte Verbesserung gegeben. Diese solle sich aber lediglich im „einstelligen Prozentbereich“ bewegen, heißt es.

Von der angeblichen vier Minuten rascheren Anfahrt ist keine Rede mehr. Im Internet kursiert nur ein Beispiel aus Deutschland, bei dem ein Fan der Feuerwehr von einer Autobahnbrücke aus erst Rettung und Feuerwehr in der (gut funktionierenden) Rettungsgasse und dann im gleichen Stau eine Rettung auf dem leeren Pannenstreifen filmt. Fazit: Durch die Rettungsgasse ging es um 2,5 Minuten langsamer.

Deutsches „Vorbild“

Während es hierzulande oft heißt, in Deutschland funktioniere die Rettungsgasse gut, erschienen in den vergangenen Wochen mehrere Berichte in deutschen Medien. Tenor: Man solle nach Österreich schauen, denn dort funktioniert die Rettungsgasse. Angeblich.

„Es ist völlig unterschiedlich. Meistens funktioniert die Rettungsgasse völlig reibungslos. Aber wir hatten auch schon Einsätze, da haben Autofahrer nichts mitbekommen und uns ignoriert, als wir schon mit Blaulicht unmittelbar hinter ihrem Wagen gestanden sind“, schildert Kommandant Herbert Dögl von der Feuerwehr Alland vom Einsatz-Alltag.

Ein jüngster „Höhepunkt“ in negativer Richtung war der Schneefall am 3. Dezember auf der Außenringautobahn. „Das war eine Katastrophe. Wir sind zu Fuß vorgelaufen und haben an die Scheiben der Autos geklopft, damit man uns durchlässt. Die Leute haben sich verhalten, als ob die Rettungsgasse gerade erst erfunden worden wäre.“

Ein schwer einzuschätzendes Element, gerade auf der A 21, ist der hohe Anteil an ausländischen Lkw-Fahrern. „Ich nehme an, dass sie über die Rettungsgasse informiert sind. Viele verhalten sich aber nicht so“, sagt Dögl. Der aber auch einen winterlichen Sonderfall beobachtet hat: „Der Pannenstreifen wird bei Schneefall nicht vorrangig geräumt. Die Lkw-Fahrer scheuen sich, für die Rettungsgasse nach rechts zur Seite zu fahren, denn im Schneematsch kommen sie dort nicht mehr weg.“

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