Chronik/Österreich

Betrugsverdacht im Schwimmverband: Todesfall vor Prozessstart

Am Mittwochmorgen im Verhandlungssaal 203 des Wiener Straflandesgerichts, die Klimaanlage lässt die Zuschauer frieren. Aber eine andere Nachricht sorgt für Frösteln. Kurz nach Beginn des Prozesses um einen

mutmaßlichen Fördergeld-Betrug durch sieben Mitarbeiter des Schwimmverbandes (OSV) bestätigte Richterin Patrizia Kobinger-Böhm, dass Ex-OSV-Präsident Paul Schauer am Montag gestorben sei.

Gegen 9.30 Uhr kam ein Gerichtsdiener in den Saal und übergab der überraschten Richterin einen Brief – von Schauer. Das Schriftstück beinhalte eine lange Replik auf die Anklage, sei aber kein Abschiedsbrief, sagte die Richterin später. Indes erhielt ein Freund von Schauer, wie dieser dem KURIER berichtete, ebenfalls einen Brief von dem 72-Jährigen. In diesem kündigte Schauer seinen Freitod an und gab an, dass er mit der Schmach nicht leben wolle.

Inkriminierter Umgang mit Fördergeldern

Schauer und den Mitangeklagten wird vorgeworfen, dass sie Scheinrechnungen bastelten, um bereits eingenommene Fördergelder nicht zurückzahlen zu müssen. Ex-OSV-Geschäftsführer Thomas Gangel legte – wie im KURIER angekündigt – ein umfassendes Geständnis ab. Der frühere Finanzreferent räumte die Fälschung von vier Rechnungen ein. Zwei untergeordnete Mitarbeiter und Schauers Nachfolger, Ex-Präsident Christian Meidlinger beantragten eine Diversion. Das bedeutet am Ende die Einstellung des Verfahrens gegen Bußgeldzahlung, aber ohne Schuldeingeständnis und Verurteilung.

Alle Inhalte anzeigen

Bad statt Anklagebank

ÖGB-Funktionär und SPÖ-Politiker Meidlinger saß deshalb nicht auf der Anklagebank, sondern besuchte zum Zeitpunkt des Prozesses ein Schwimmbad und postete Fotos davon auf Facebook. Ihm wird nämlich nur die Absegnung einer Scheinrechnung (36.000 Euro) vorgeworfen. Sein Verfahren wurde vom Hauptverfahren abgetrennt.

Klaus Ainedter, Verteidiger des geständigen Ex-OSV-Geschäftsführers Gangel, sah im Sport-Fördersystem das Grundübel. „Das Förderwesen verleitet grundsätzlich zum Betrug“, sagte Ainedter. Es gehe im Prozess nicht um einzelne gefälschte Rechnungen, sondern um ein System. „Die Angeklagten haben keinen Cent Fördergeld eingesteckt, das Geld ist dem Schwimmverband zugute gekommen“, betonte Ainedter. „Der OSV gehört auf die Anklagebank.“ Zugleich ersuchte er um ein mildes Urteil für seinen geständigen Mandanten. Wohin sind aber die Fördergelder geflossen, die mangels Aufwendungen an das Sportministerium zurückgezahlt werden hätten müssen? „Das Geld wurde den Spitzensportlern für ihre Aufwendungen zur Verfügung gestellt“, sagte der mitangeklagte Ex-Finanzreferent Walter Benesch. Für Trainingslager auf Lanzarote oder in den USA. Kontrollorgan Benesch will nur für vier Scheinrechnungen verantwortlich sein, von den anderen will er nichts gewusst haben.

Staatsanwalt fragt eher ratlos

„Es ist Ihnen nicht aufgefallen, dass Fördergeld aus dem Vorjahr übrig geblieben ist?“, fragte der Staatsanwalt den Ex-Finanzreferenten. Nein, das will Benesch nicht bemerkt haben.

Im Jahr 2013 bekamen die OSV-Führung, Benesch und Gangel aber kalte Füße und gingen zu einem Anwalt. Der riet ihnen, zwei Förderbeträge für 2011/’12 in Höhe von je 36.000 Euro zurückzuzahlen. Was sie auch machten.

Große Erfolge unter Präsident Schauer

Schauer, der den Schwimmverband zu riesigen sportlichen Erfolgen geführt hat, war der Druck des Strafprozesses offenbar zu groß. Ein Urteil gibt es frühestens am Donnerstag.

Wichtiger Hinweis

Wenn Sie sich in einer scheinbar ausweglosen Situation befinden, zögern Sie nicht, Hilfe anzunehmen oder anzubieten. Unterstützung bietet die Telefonseelsorge: 142.