Bauernhöfe als soziale Inseln
"Die Arbeit mit Tieren und mit der Natur macht behinderte Menschen zufriedener und weniger aggressiv."
Die 73-jährige Margit Fischer weiß, wovon sie spricht. Auf einem einst vom Verfall bedrohten Bauernhof bei Texing (NÖ) führt sie mit ihrer Tochter ein Therapie- und Betreuungszentrum für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Der knapp 25 Jahre bestehende "Himmelschlüsselhof" gilt in Österreich als ein Leuchtturm der Green-Care-Bewegung. Geschätzte 600 Höfe könnten österreichweit bald in diesem Segment mehr oder weniger aktiv sein.
Die Landwirte haben in der Behinderten- und Altenpflege eine neue Nische entdeckt. Die Hofbetreiber haben so ein Zusatzeinkommen, im ländlichen Raum entstehen wertvolle Arbeitsplätze. Zudem wird ländliches Kulturland weiter belebt.
Idee
"Es ist auf Bauernhöfen seit jeher Tradition, den älteren Menschen Pflege zu gewähren", sagt Margit Fischer. Ihr Zugang war freilich ein ganz anderer. Die gebürtige Wienerin suchte mit ihrem Mann seinerzeit eine Möglichkeit, ihren behinderten Sohn in einer gesunder Umgebung zu betreuen. "Meine Idee war von Beginn an, den Hof für zwölf Behinderte umzubauen", erinnert sie sich. 1991 kaufte das Ehepaar den schon 17 Jahre lang nicht mehr bewirtschafteten Bauernhof inmitten einer "Wiese voller Himmelschlüssel", sagt Fischer.
"Unser Tagesablauf ist von der Stallarbeit bis zum Sportprogramm am Nachmittag genau geregelt", schildert Fischer. Tatsächlich wird hier beim vormittägigen Lokalaugenschein des KURIER in allen Ecken des Hofs gewerkt. Hunde, Enten, Hühner auch zwei Esel oder das Lama wollen umsorgt sein. Dazu gibt’s Arbeit in der Tischlerei und anderen Werkstätten, wo getöpfert oder gewalkt werden kann. Gemüse und Obst, ja selbst das Brot aus den Ernten der eigenen Wirtschaft werden selbst verarbeitet. "Egal ob wir mit Tieren und Pflanzen arbeiten, alles passiert in einem harmonischen Umgang miteinander", versichert die Bäuerin, Therapeutin und Vereinschefin.
Vielfalt
Das Green Care-Angebot in Österreich wird immer facettenreicher und umfasst, Arbeitsprojekte, Altenbetreuung, Pädagogik und Therapie. Immer mehr Hofbetreiber zeigen sich interessiert. "Eine richtig große landwirtschaftliche Einkommensschiene wird das aber nie werden", erklärt Nicole Prop von Green Care Österreich, die seit 2011 in der Bewegung an vorderster Front agiert. Länder wie die Niederlande oder Norwegen sind mit Hunderten Betrieben seit Jahrzehnten Vorbilder. Um im heiklen Pflegebereich genormte Qualitätskriterien zu garantieren, werden Höfe seit Kurzem auch zertifiziert. 16 Therapiehöfe erfüllen österreichweit die höchsten Normen. 2018 sollten es 50 sein, meint Initiatorin Prop.
In der Wiener Hochschule für Agrar und Umweltpädagogik werden akademische Ausbildungen geboten. Als einzige Landwirtschaftsschule Österreichs bietet die LFS Gaming, NÖ, den Schwerpunkt „Green Care – wo Menschen aufblühen“ an. Für die Absolventen sieht Direktorin Daniela Fux gute Berufschancen. Nicht nur im landwirtschaftlichen Bereich, auch bei Sozialen Trägerorganisationen, die oft auch Partner der Green-Care-Höfe sind. Zusätzlich werden Schüler in Gaming in „Tiergestützter Pädagogik“ unterrichtet.
Der NÖ Kulturpark Eisenstraße mit 23 Mitgliedsgemeinden hat Green Care überhaupt als EU-Leaderprojekt zum Zukunftsthema in der Region auserkoren. NÖ ist im Green-Care-Bereich bundesweit vorne. Josef Hainfellner, Koordinator in der NÖ Bauernkammer, zählt derzeit 150 aktive oder interessierte Hofbetreiber. Vorzeigeprojekte gibt es aber auch bundesweit (www.greencare-bauernhof.at). Der Jeronitsch-Hof in Köttmansdorf in Kärnten setzt etwa auf Tiertherapie für Kinder. Am Adelwöhrerhof in Kroisenbach in der Steiermark werden alte Menschen gepflegt.