Chronik/Österreich

35.000 Hoffnungsträger für den Eschenbestand

In Reih und Glied stehen rund 35.000 schlanke Jungbäume, alle mit Bar-Codes etikettiert, in einem Forschungsgarten im niederösterreichischen Bezirk Tulln. Auf den ungefähr zwei Meter hohen Pflanzen ruhen die Hoffnungen unzähliger Waldbesitzer und Naturliebhaber. Die setzen auf das größte derartige Forschungsprojekt Europas, das die heimischen Eschenbestände vor der unmittelbar bevorstehenden Vernichtung retten soll. Denn eine von Pilzen ausgelöste Krankheit, das sogenannte Eschentriebsterben, brachte diese Baumart innerhalb von rund zehn Jahren an den Rand der Ausrottung.

Dabei hat die Esche große Bedeutung in zweifacher Hinsicht: Einerseits für die nordeuropäische Mythologie, in der sie als „Weltenbaum“ die Schöpfung darstellt. Andererseits ist sie mit ihrem harten und gleichzeitig elastischen Holz ein wichtiger Wirtschaftsbaum. So ist ihr Holz besonders gut für helle Fußböden oder Möbel, aber auch für haltbare Werkzeugstiele geeignet.

Silberstreif

Noch ist den Forschern der Durchbruch nicht gelungen. Aber es gibt einen Silberstreif am Horizont. Die bisherigen Selektionen brachten jedenfalls vielversprechende Ergebnisse.

In der aktuell verzweifelten Situation (siehe Zusatzbericht) haben Partner gemeinsam einen Kraftakt begonnen: Das Bundesforschungszentrum Wald leistet den wissenschaftlichen Teil der Sisyphusarbeit. Waldbesitzer und viele andere suchten im Vorfeld bundesweit nach Eschen, die inmitten befallener Exemplare stehen, aber die Krankheit anscheinend besser aushalten als andere.

Die Samen, die von ungefähr 700 Mutterbäumen geerntet wurden, sind die Grundlage für das Selektionsprojekt: Daraus wurden Setzlinge gezogen und in einem bewusst mit der Krankheit infizierten Boden angepflanzt. Seither beobachtet man die Entwicklung der Pflanzen mit Argusaugen. Jede Unregelmäßigkeit, jede Verfärbung der Blätter wird untersucht, dokumentiert und analysiert.

„Wir haben die Hoffnung, durch mehrfache Selektion etwa 200 Jungpflanzen zu bekommen, die weitgehend resistent gegen die Krankheit sind“, erklärt Thomas Geburek, Leiter des Instituts für Waldgenetik beim Bundesforschungszentrum Wald (BFW). Denn es besteht gegenüber der Krankheit eine gewisse erbliche Anfälligkeit. Die ist der Schlüssel zum Erfolg. Das aktuelle Projekt läuft nach drei Jahren im Herbst 2019 aus, ein Folgeprojekt ist in Planung. Denn erst die Zukunft wird zeigen, wie gut sich die selektierten Pflanzen behaupten. Dabei geht man von einem Beobachtungszeitraum für neue Bestände von mehreren Jahren aus.

Gefahr

Die Gefahr ist aber längst nicht gebannt: Eine andere Forschungsgruppe im Institut für Waldschutz des BFW nimmt die Pilze unter die Lupe, die die Esche angreifen. Dabei hat sich laut Thomas L. Cech heraus gestellt, dass sich sogenannte Sekundärpilze – also andere als jene, die die Krankheit ursprünglich auslösen – derzeit in einem beängstigen Maß vermehren, weil sie Unmengen von angegriffenen Bäumen als Nahrung zur Verfügung haben.

Das gilt beispielsweise für den Hallimasch, einen bekannten Speisepilz. Die Problematik: Die Gefahr wächst, dass diese Pilze auch gesunde Eschen angreifen. Ähnlich wie bei den Borkenkäfern, die zu gesunden Fichten wechseln, wenn es keine geschwächten mehr gibt.

Noch ist nicht klar, ob das Szenario Wirklichkeit wird. Möglicherweise bedeutet das aber, dass man beim Auspflanzen der resistenten Bäume darauf achten muss, dafür Flächen auszuwählen, die nicht von diesen Folgeschädlingen im Übermaß betroffen sind.