Chronik/Österreich

Dreijähriger lag tot in Wohnung: "Das Kind ist verhungert"

Es muss ein unfassbares Martyrium gewesen sein, das ein Kleinkind im Bezirk Kufstein durchlitten hat, bis sein Vater am Morgen des Pfingstmontags die Rettungskräfte alarmiert. „Sie haben den Buben leblos vorgefunden und konnten nur noch seinen Tod feststellen“, sagt Hansjörg Mayr, Sprecher der Staatsanwaltschaft. 

Die ermittelt nun wegen des Verdachts des Mordes gegen die in einem Dorf im Tiroler Unterland lebenden Eltern – 26 bzw. 25 Jahre alt. Denn das vorläufige Ergebnis einer am Dienstag durchgeführten Obduktion an der Leiche des Kindes hat laut Mayr „den optischen Eindruck bestätigt“, der sich den Einsatzkräften bot. 

"Massiv unterernährt"

„Der Bub war massiv unterernährt. Mit anderen Worten: Das Kind ist verhungert. So etwas passiert nicht von heute auf morgen“, sagt der Sprecher der Anklagebehörde, warum davon auszugehen sei, „dass die Eltern den Tod des Buben billigend in Kauf genommen haben.“

Sie konnten vorerst noch nicht einvernommen werden, befanden sich wegen eines psychischen Ausnahmezustands bis Mittwoch in einem Krankenhaus in Behandlung. Das Paar wurde inzwischen auf Anordnung der Staatsanwaltschaft festgenommen und sollen nun auch von den Ermittlern befragt werden.

Keine Mangelerscheinungen

Drei weitere Kinder des Paares – drei Mädchen im Alter von ein, drei und sechs Jahren – befinden sich in der Obhut der Kinder- und Jugendhilfe. Bei der Dreijährigen handelt es sich um die Zwillingsschwester des toten Buben. „Die Kinder weisen keine Mangelerscheinungen auf“, so Mayr auf Nachfrage. 

Die Eltern, es handelt sich um zwei österreichische Staatsbürger, seien laut derzeitigem Kenntnisstand „bis jetzt unauffällig gewesen“. Zur Frage, in welchen Verhältnissen die Familie gelebt hat – etwa in einem Mehrparteien- oder einem Einfamilienhaus – wollte der Sprecher der Staatsanwaltschaft vorerst keine näheren Angaben machen. 

Ein vorheriger Kontakt mit der Kinder- und Jugendhilfe habe seines Wissens nach nicht bestanden. Das wurde auch seitens des Landes betont. Eine Meldung der Kinder- und Jugendhilfe sei nach derzeit vorliegenden Informationen zu keinem Zeitpunkt erfolgt, hieß es. Die Geschwister seien nach einer ersten körperlichen Abklärung wohlauf. 

Viele Fragen offen

Wie das Leiden des Buben unentdeckt bleiben konnte, warum niemand Schreie gehört hat, bleibt vorerst ungewiss. „Das sind Fragen, die wir uns jetzt alles stellen und die wir jetzt klären wollen“, sagt Mayr. 

Rätselraten darüber, wie es so weit kommen könnte, herrscht auch im betroffenen Dorf im Tiroler Unterland: „Das ist ein Drama, das allen unter die Haut geht“, sagt der Bürgermeister des Orts. Er kann sich das Ganze nicht erklären. „Das ist für uns erschreckend“, sagt das Dorfoberhaupt.

Auch er sagt, „dass es mit der Familie keine Auffälligkeiten gegeben hat.“ Jenes der vier Kinder, das in dem Dorf in den Kindergarten geht, sei wohlgenährt gewesen, wie sich der Bürgermeister versichern ließ. Es habe auch sonst keine Auffälligkeiten gegeben. 

Wohnung in kleiner Siedlung

Bei den Eltern handelt es sich um zwei Einheimische, die ihr Wurzeln in dem Dorf haben und vor wenigen Jahren von der Gemeinde eine geförderte Wohnung in einer neu errichteten kleinen Siedlung erhielten. In dieser Zeit hatte der Bürgermeister das letzte Mal intensiver mit der Familie zu tun.

Er fragt sich – wie viele andere auch – ob Überforderung zu der Tragödie geführt hat. Fest steht: Die Rettungskräfte wurden vom Vater verständigt und informiert, dass sein Sohn tot im Bett liege.