Chronik/Oberösterreich

Vom Aussterben bedroht

139 Patienten sind bereits versorgt an einem heißen Tag im August. Landarzt Walter Titze aus Unterach am Attersee schließt seine Ordination, setzt sich ins Auto und will gerade losfahren. Da läutet sein Handy. Ein Patient bittet ihn darum, einen Verband zu wechseln. "Komm um halb sechs, dann machen wir das", antwortet der 64-Jährige, der bis 70 arbeiten möchte. Zu Walter Titzes Patienten zählen in der beliebten Ferienregion am Attersee auch viele Prominente. "Ich mache da jedoch keinen Unterschied." Auf Urlaub fährt der Allgemeinmediziner, der auch die Ausbildung zum Facharzt für Unfallchirurgie absolviert hat, kaum. Für seine Kinder habe er zu wenig Zeit gehabt, wie ihm einer seiner Söhne vorwerfe, der mittlerweile selbst Arzt ist.

Während viele "Landbader" alten Schlages in den nächsten Jahren in Pension gehen werden, zeigen die Vertreter der jüngeren Generationen, wie sich die Arbeit eines Landarztes mit Familie und Privatleben durchaus kombinieren lässt. Etwa die 38-jährige Silke Kranz, die vor Kurzem eine Ordination in Bad Zell eröffnet hat, aber nicht im Ort wohnt. Die Alleinerzieherin hatte davor jahrelang in Linz als Sportärztin und Allgemeinmedizinerin gearbeitet. Nach der Pensionierung ihres Vorgängers blieb dessen Stelle als Kassenarzt in Bad Zell monatelang unbesetzt, bis sich Kranz darum beworben hat.

"Ich bin mit offenen Armen aufgenommen worden", erzählt die gebürtige Steirerin, die selbst am Land aufgewachsen ist und immer schon als Landärztin arbeiten wollte. "Man muss ein offener Mensch sein, aber auch belastbar." Oft bekomme sie – wie das am Land so üblich sei – als kleines Dankeschön von ihren Patienten Speck, Schnaps oder Selbstgebackenes: "Ich mag das gern." Der hausärztliche Notdienst ist Teil ihrer Arbeit. Gemeinsam mit einem Sanitäter des Roten Kreuzes, der ihr als Fahrer zur Seite steht, macht sie regelmäßig in der Nacht undam Wochenende Hausbesuche im Bezirk Freistadt. Zu dem gibt Kranz in ihrer Kolumne im Oberösterreich-KURIER Tipps, wie man sich richtig ernährt.

Der bekannte Soziologie-Professor Roland Girtler ist als Kind eines Arzt-Ehepaares in Spital/P. aufgewachsen. "Die alten Landärzte waren immer da für die Leute", sagt Girtler, der sich erinnert, dass sein Vater einmal während eines Hausbesuchs einer Frau die Mandeln entfernt hat. "Sie wäre beinahe erstickt", erzählt er, "wenn mein Vater diese Patientin damals ins Krankenhaus geschickt hätte, dann wäre sie wahrscheinlich gestorben."

Österreich-Bild, heute, Sonntag, um 18.30 Uhr in ORF 2.