Bodenverluste in OÖ: "Bestehendes verdichten, nicht weiter umwidmen"
Man könnte Wien darin unterbringen. So groß ist jene Fläche, die in Oberösterreich bereits als Bauland gewidmet, aber noch nicht verbaut ist. Die Angst, dass mit dem Schutz des Bodens die Möglichkeiten von Neubauten generell wegfallen, will Umweltlandesrat Stefan Kaineder, Grüne, mit diesem Beispiel nehmen.
Aktuell wird auch in Linz viel über Umwidmungen diskutiert, speziell wenn es um die Bauten für und ergänzend zur neuen Digital-Uni IT:U geht. Im Zuge dessen sollen nämlich auch Flächen im Linzer Gürtel zu Bauland umgewidmet werden, während andere die bereits versiegelte PostCity beim Bahnhof ins Spiel bringen.
Mittlerweile hat sich eine aktive Bürgerinnen-Initiative gebildet, deren Petition bereits mehr als 8.000 Unterschriften hat und die nun konkrete Fragen alle Kandidatinnen und Kandidaten der anstehenden Bürgermeisterwahl in Linz ausgeschickt hat.
"Es gibt eine massive Bauland-Reserve in Oberösterreich. Jetzt geht es darum, zu einer vernünftigen Verdichtung zu kommen, ohne an Lebensqualität einzubüßen", so der Landespolitiker. Er selber lebe in Dietach bei Steyr. Dort gibt es einen Punkt, bei dem sich in Luftlinie eines Kilometers vier Supermärkte einer einzigen Kette befinden -"alles Flachbauten, mit riesigen, betonierten Parkflächen. Wir gehen schludrig mit bestehenden Flächen um. Das muss sich ändern."
Gerlind Weber ist Raumforschungsexpertin an der Boku Wien und kommt mit einer aktuellen Studie zur Zersiedelung Österreichs nach Linz: Eine Forschungsgruppe an ihrer Uni hat Satellitenbilder der letzten 45 Jahre ausgewertet und die Siedlungsmuster verglichen.
Oberösterreich kommt dabei weniger gut weg: Zwischen 1975 und 2020 kam es zu einer Versechsfachung der hohen und sehr hohen Zersiedelung. Das heißt, der Siedlungsraum wurde immer weiter hinausgetrieben, die Bebauung wurde immer schütterer.
Weniger Beton, mehr Platz für Flüsse
Was das Problem daran ist, zeigen die drei "Jahrhundert-Hochwasser" der vergangenen 22 Jahre: "Unsere Bäche und Flüsse brauchen mehr Platz. Wir haben gesehen, was passiert, wenn das nicht der Fall ist", spielt Stefan Kaineder auf die Hochwasser-Katastrophen der vergangenen Woche an. Es brauche weniger Beton, denn ein Quadratmeter gesunder Boden könne bis zu 200 Liter Wasser aufnehmen.
Täglich werden allein in OÖ rund 21.000 Quadratmeter Boden für Siedlungs-, Verkehrs- und Geschäftsflächen verbraucht. 40 Prozent davon werden versiegelt. "Wenn Landesrat Markus Achleitner in Zahlenspielen behauptet, wir bewegen uns in die richtige Richtung, fehlt mir dafür der Humor", so Kaineder. Expertinnen und Experten seien sich einig, dass gesamt Österreich eine Bebauung von 2,5 Hektar pro Tag vertrage. Da seien die 2,1 Hektar Bebauung pro Tag in OÖ sicher nicht zu bejubeln.
Das will Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner, in dessen Ressort auch die Raumordnung fällt, so nicht stehen lassen: Kaineder berufe sich in seiner Aussage auf Zahlen aus dem Jahr 2020. Die Abteilung Raumordnung des Amtes der OÖ. Landesregierung hat anhand des digitalen Flächenwidmungsplans erhoben, dass die Flächeninanspruchnahme in Oberösterreich für Bauland und Verkehrsflächen im vergangenen Jahr 2023 täglich 0,55 Hektar betragen hat. "Das ist knapp ein Viertel des von Landesrat Kaineder angeführten Wertes", heißt es aus dem Büro Achleitner.
30.000 leere Wohnungen in OÖ
Was helfen könnte: "Wir brauchen eine flächendeckende Leerstandsabgabe in ganz Österreich", fordert der grüne Politiker. Rund 30.000 Wohnungen stehen, laut Berechnungen von Greenpeace, in OÖ leer. Österreichweit sind laut WIFO etwa 20 Prozent aller Wohnungen ohne Wohnsitzmeldung, sprich 650.000 Wohneinheiten stehen dauerhaft leer.
Kaineder dazu: "Jeder soll selbst entscheiden können, ob er sein Eigentum vermietet oder nicht. Nur wer sich dagegen entscheidet, soll über die Leerstandsabgabe für die Kosten aufkommen, die der Gesellschaft dadurch entstehen." Die Umsetzung derselben sei eine Frage des politischen Willens.
Würde bestehender Wohnraum effektiv genutzt werden, komme es auch nicht zu so starker Zersiedelung, so die Expertin Weber. Die Konsequenzen seien nämlich fatal:
- Hohe Autoabhängigkeit durch weite Alltagswege, kaum Erschließung durch öffentliche Verkehrsmittel möglich.
- Versiegelung des Bodens durch ausufernde Straßennetze.
- Verzögerung von Hilfseinsätzen bei Katastrophen
- Beinträchtigung der Versickerung und der Renaturierung von Flussabschnitten
- Absiedelungen werden immer mehr zum Thema
"Generell geht es darum, Bestehendes zu verdichten, Grünräume sinnvoll zu nutzen und intelligent zu bauen und zu sanieren", schließt Stefan Kaineder, und: "Unsere fruchtbarsten Wiesen und Äcker dürfen nicht weiter verbaut werden."