Chronik/Oberösterreich

Hitler-Haus: "Eigentümerin erpresst die Republik"

Entschuldigen Sie, wo ist denn hier das Geburtshaus von Sie-wissen-schon-wem?", ist eine Frage, mit der die Einwohner der innviertler Kleinstadt Braunau häufiger konfrontiert sind als mit der Frage nach der nächsten Tankstelle. Konditor Rudolf Sailer deutet dann auf das Haus auf der anderen Straßenseite, in dem heute, am 20. April, vor 126 Jahren Adolf Hitler geboren wurde. "Die Leute machen dann Fotos oder rennen ein paar Mal um das Haus herum. Mir ist das wurscht, sollen sie halt", sagt er lapidar.

So wie Sailer sehen es viele Einheimische. Es ist ihnen "wurscht", sie scheinen es satt zu haben, dass ihre Heimatstadt in der Weltpresse in einem Atemzug mit Hitler und den Nazi-Verbrechen genannt wird.

"Man tut so, als wäre nichts, und wartet, bis bald jeder Zeitzeuge weggestorben ist, der dazu eine Meinung hat. So funktioniert das aber nicht", sagt Markus Simböck, Trafikant und aktiver Antifaschist. "Als Braunauer Bürger würde ich mir einen vernünftigen Umgang damit wünschen."

Verantwortung

Aber welche Verantwortung trägt Gerlinde P., die Eigentümerin des Gebäudes, die sich seit Jahren gegen eine Nutzung des zunehmend verfallenden Gebäudes sträubt? Die 65-Jährige ist Kundin in Simböcks Trafik, wohnt in der Straße schräg gegenüber. "Sie wirkt wie eine nette Frau, aber keiner weiß, was sie mit dem Haus will und ob sie sich ihrer Verantwortung überhaupt bewusst ist", sagt Simböck schulterzuckend.

Das Haus in der Salzburger Vorstadt steht leer und verfällt zusehends. Zuletzt sollten die Volkshilfe und die Volkshochschule einziehen, doch das wusste P. zu verhindern, indem sie ein Veto gegen nötige Umbauten einlegte – aus diesem Grund ist auch die Lebenshilfe 2011 ausgezogen.

Das Innenministerium ist seit 1972 Hauptmieter und bezahlt monatlich 4800 Euro Miete, um zu verhindern, dass das Geburtshaus in die falschen Hände gerät. Weil die 65-Jährige, die konsequent das Licht der Öffentlichkeit meidet, bis dato nicht auf ein Kaufanbot des Ministeriums reagiert hat, wird derzeit eine Enteignung geprüft. Ein drastisches Mittel, das laut Experten wenig Aussicht hat.

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"Die Eigentümerin versucht offenbar, die Republik zu erpressen, aber dagegen gibt es gelindere Mittel", sagt Verfassungsjurist Heinz Mayer. Sein Vorschlag: Den Mietvertrag kündigen und eine gesetzliche Eigentumsbeschränkung zu verankern – zum Beispiel, dass das Haus nicht für Erinnerungskultur oder Veranstaltungen verwendet werden darf. De facto bliebe das Haus dann ungenutzt, aber die Republik hätte einen Kostenfaktor weniger.

Haus abreißen?

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Harald Walser, erinnerungspolitischer Sprecher der Grünen im Nationalrat, hat Erfahrung mit "historisch kontaminierten Orten", wie er es nennt. Er hat für die Schließung der Krypta am Heldenplatz in Wien gekämpft, als aufgedeckt wurde, dass dort mitunter Nazi-Massenmördern gedacht wurde.

Zum Hitlergeburtshaus sagt er: "Es ist dringend nötig, dass es in das Eigentum der Republik übergeht." Und dann? "Ich schlage vor, eine Expertengruppe mit dem Thema zu befassen und dabei auch einen Abbruch des Hauses ins Auge zu fassen."

Von der Idee einer "vernünftigen Nutzung" müsse man sich verabschieden. Jede Nutzung wäre problematisch – vor allem, weil die Fokussierung auf die Geburt einer Person ohnehin unhistorisch sei. "Das hat auch beim Siegfriedskopf (ein Denkmal für die Gefallenen im Ersten Weltkrieg, das von deutschnationalen Burschenschaftern aufgesucht wird, Anm.) an der Universität Wien nicht funktioniert. Man kann nie ausschließen, dass so ein Ort zu einer Pilgerstätte für Rechtsextreme wird."

Das Haus mit der Adresse Salzburger Vorstadt 15 war zwischen 1938 und 1945 im Besitz der NSDAP und wurde der Familie P. im Rahmen eines Rückstellungsvergleichs zurückgegeben. Seither waren dort u. a. eine Bibliothek, eine Schule und bis 2011 eine Behindertenwerkstätte eingerichtet. Im Mietvertrag, den die Eigentümerin Gerlinde P. 1972 mit dem Innenministerium abgeschlossen hat, ist ein "sozialer, edukativer Zweck" vorgesehen. Weil dafür Umbauten nötig sind, die P. verweigert, steht es bis dato leer.