Wilderer-Prozess in Wels: "Wusste nicht, dass Frösche so bluten"
Von Petra Stacher
Sieben Männer und eine Frau sitzen am Mittwoch im Landesgericht Wels vor dem Richter. Drei tragen Trachtenjanker, einer einen grünen Gürtel, zwei grün karierte Hemden, die Frau dunkelgrüne Sneaker und eine grüne Maske. Man könnte fast meinen als hätten sie sich passend zur Anklageschrift gekleidet. Denn am Freitag drehte sich alles rund um das Thema Jagd.
Dutzende Wildtiere sollen die Angeklagten – im Alter zwischen 20 und 53 – von 2017 bis 2020 in den Bezirken Gmunden, Linz-Land, Grieskirchen, Salzburg-Umgebung und Zwettl in NÖ getötet haben – darunter Rehböcke, Rehkitze, Dachse, Biber, Füchse, Gänsesäger, Eichhörnchen, Spatzen, Krähen, Fischreiher – um nur ein paar zu nennen. 37 Fälle wertet die Staatsanwaltschaft als schweren Eingriff ins Jagdrecht, 35 weitere als Tierquälerei.
„Es ist der längste Strafantrag, den ich je eingebracht habe. Und das seit 1993“, sagt der Staatsanwalt zu Prozessbeginn.
Großteils geständig
Denn noch dazu kommt, dass fünf der Angeklagten teilweise verbotene Waffen besessen haben sollen. Zwei sollen Jagdkarten gefälscht haben. Zudem müssen sich mehrere wegen Hehlerei verantworten. Einer sogar wegen pornografischer Darstellung Minderjähriger. Es sei eine dementsprechende Videodatei bei ihm gefunden worden.
Bezüglich des Verstoßes bekennen sich die Angeklagten großteils geständig. Die Tierquälerei weisen sie zurück – wobei in diesem Fall es nicht um das Leid der Tiere, sondern vor allem um Mutwilligkeit – der reinen Lust am Töten – geht.
„Man muss die Kirche im Dorf lassen“, sagt die Verteidigerin von vier der Angeklagten. „Es wurde ins Jagd- und Fischereirecht eingegriffen. Das ist ein Vermögensdelikt.“ Und das die Angeklagten eine Faszination für Waffen hätten, sei in ihrem Metier nichts Seltenes. Es seien auch alle ihre Mandanten um Schadenswiedergutmachung bemüht. Von den geschädigten Parteien – von denen keine bei Gericht war – habe man aber kein Interesse gezeigt.
Zwei Urteile gesprochen
Der Richter geht bei der Befragung schließlich systematisch vor. Als Erstes wickelt er die Fälle der Frau und des Drittangeklagten ab. Laut Verteidigerin hätte die 26-Jährige ihrem Mann nur einen „Dienst erwiesen“. Denn dieser ist der 28-jährige Hauptangeklagte. Ähnlich sah das auch der Richter. Sie hätte ihm lediglich bei der Besorgung der Waffen geholfen. Bereits am Vormittag wurde sie zu einer Geldstrafe von 360 Euro verurteilt.
Der Drittangeklagte sei mit dem anderen Angeklagten, hingegen ab und zu auf Pirsch gewesen. Aus dem Auto heraus schossen sie dabei auf Tiere aus fremden Jagdrevieren. Unter anderem „lief“ ihnen ein Rehbock in die Flinte. „K. (der Zweitangeklagte, Anm.) saß auf der Rückbank. Er war zu langsam. Deshalb schoss ich“, schildert er den Vorfall. Der Siebtangeklagte eine Reihe dahinter konnte sich daraufhin einen Lacher nicht verkneifen. Der Drittangeklagte wurde schließlich zu 6 Monaten bedingter Haft verurteilt. Beide Urteile sind rechtskräftig.
Danach ging der Prozess nur mehr mit den sechs verbliebenen Angeklagten weiter. Als Erstes durfte der Fünftangeklagte vor den Richter treten. Unter anderem erschoss er eine Bisamratte mit Pfeil und Bogen. Auch erlegte er Tauben und einen Fischreiher, zum Schutz seines Hab und Guts, wie er angibt. Auch Biber fielen im zum Opfer. „Hat denn der Biber jemanden etwas getan", will der Richter wissen. „Nein eigentlich nicht", antwortet er.
Sittenbild
Generell zeigten die weiteren Einvernahmen ein Sittenbild der Gruppe: Einer beschrieb, wie sein Mitangeklagter für ihn mit einem Messer Frösche zum Essen getötet habe. Der andere habe sich „so patschert“ angestellt, musste er lachen, es sei „furchtbar“ gewesen, „ich wusste gar nicht, dass Frösche soviel Blut haben“. Auf die Frage des Richters, ob das lustig sei, meinte er dann kleinlaut: „Nein.“
Ein anderer Angeklagter gab zu, u.a. diverse Reiher und Biber geschossen und Füchsen nachgestellt zu haben. Die Vögel habe er nachher vergraben, damit sie niemand findet. Einmal habe er eine Bisamratte mit Pfeil und Bogen erlegt. Ein andermal habe ein Mitangeklagter zwei Biber hintereinander geschossen, weil beim ersten „die Zähne nicht gepasst“ hätten (für eine Trophäe, Anm.).
Er gab zu, dass das falsch war, das sei ihm heute auch bewusst. Der Richter verwies auf die Chats der Angeklagten, die „nicht so reflektiert“ seien, wo von „killen“ die Rede sei und die Frage gestellt wurde „Sperren sie uns dafür eh nicht ein?“
Tiere hätten Schaden angerichtet
Häufig wurde von den Beschuldigten auch darauf hingewiesen, dass die erlegten Tiere zuvor Schaden angerichtet hätten: Ein Reiher habe nämlich Fische verletzt und Gelege gefährdet, ein Bussard Hasen und die Biber Enten attackiert, ein Specht den Hochstand beschädigt, Spatzen oder ein Eichhörnchen einen Zaun.
Mehrmals wurden auch Biber geschossen - mal ging es um das Fett für eine Salbe, dann wieder darum, dass die Biber Schäden anrichten würden. Weil der Biber nicht umsonst sterben sollte, habe er ihn „konsumiert“ und die Trophäe ausgekocht., meinte einer. Er habe eben „Interesse an den Schädelknochen“ gehabt.
Ein anderer schildete, er sei aufgefordert worden einen Biber zu schießen, habe aber absichtlich daneben geschossen, weil es ein Jungtier war. Den Schuss abzulehnen wäre „unhöflich“ gewesen, meinte er auf Nachfrage des Richters.
Prozess geht im September weiter
Am Abend wurden die drei weiteren Männer zu Geld- bzw. bedingten Haftstrafen - 720 Euro, 4.400 Euro teilbedingt, sechs Monate bedingt - verurteilt. Vier der fünf Urteile sind rechtskräftig.
Der Prozess gegen die drei restlichen Angeklagten wird am 22. September fortgesetzt. Das Gericht will noch weitere Zeugen hören. Ihnen drohen bis zu drei Jahren Haft.