Chronik/Oberösterreich

Polen boomt, Österreich profitiert

Am Ende des Gesprächs nennt Ilona Antoniszyn-Klik, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, die Dinge beim Namen: „Österreich müsste sich mehr gegenüber Polen öffnen. Die alten Geschichten sollten wir zur Seite schieben.“ Die junge, hübsche Dame, die an der Wiener Diplomatischen Akademie studiert hat und nun Mitglied des Warschauer Kabinetts Tusk II ist, meint damit die Vorbehalte, die Polen würden es mit dem Eigentum nicht so genau nehmen.

Gegenüber der Besucherdelegation der Wirtschaftskammer Oberösterreich – angeführt von Präsident Rudolf Trauner, Direktor Christian Hofer und Hermann Pühringer – spricht sie ihre Erwartungen aus: „Wir möchten mit österreichischen Firmen kooperieren und mit ihnen auf neue Märkte gehen.“

Polens Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren mit Wachstumsraten von drei bis fünf Prozent geboomt. Heuer sollen es „nur“ 1,3 bis 1,7 Prozent werden.

Polens Unternehmen sollen sich nun stärker auf den Weltmärkten behaupten. Als Hauptzielländer hat die Regierung Brasilien, Algerien, die Türkei, Kasachstan und Kanada definiert.

„Seit 20 Jahren reformieren wir das Land“, erklärt Antoniszyn-Klik, die perfekt Deutsch spricht, „es wird 20 weitere Jahre Reformen geben müssen. Das Wachstum wurde nur durch Reformen möglich. Das Wort Reform bedeutet Entbehrungen, denn es werden einige ihrer Privilegien beraubt. Man nimmt ihnen etwas weg, wenn man die Strukturen verändert. Aber jede Regierung in Polen musste und muss reformieren.“

100 Mrd. EU-Gelder

2014 sollte das 38-Millionen-Einwohner-Land wieder stärker wachsen. Denn dann strömen auch wieder neue EU-Mittel ins Land. Bis 2020 sollen es insgesamt 100 Milliarden Euro sein. Ernst Kopp, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Warschau, sieht hier gute Chancen für heimische Unternehmen. So verfüge das Land erst über 1000 Kilometer Autobahnen, im gleich großen Deutschland sind es 10.000 Kilometer. Raiffeisen International ist bereits eine der größten polnischen Banken. Das Kaufkraftniveau beträgt 30 bis 50 Prozent des österreichischen Niveaus. „Es gibt im Land drei starke Gefälle: West-Ost, Alt-Jung und Stadt-Land.“ Es gibt lediglich zwei Steuersätze. Der erste beträgt 18 Prozent, der zweite 32.

Wien – Krakau 350 km

Österreichs Unternehmen haben in Polen 600 Niederlassungen, 300 davon sind im Süden, wo im Raum Krakau-Kattowitz neun Millionen Menschen leben. Kopp: „Diese Region ist sehr attraktiv. Von Wien nach Krakau sind es nur 350 Kilometer, man ist in Krakau schneller als in Innsbruck. Es gibt eine ausgezeichnete infrastrukturelle Erschließung, die Kaufkraft der Bevölkerung ist relativ hoch. Und es gibt eine kulturelle und mentale Verwandtschaft mit Österreich.“ In Wien leben rund 150.000 Polen, von denen viele am Wochenende nach Südpolen pendeln. Bei den österreichischen Firmen sind die Polen wegen ihrer Verlässlichkeit gefragte Arbeitskräfte.

Die wunderschöne Stadt Krakau beherbergt mit ihren 756.000 Einwohnern 23 Universitäten und 208.000 Studenten. Auf dieses geistige Potenzial greift der österreichische Glücksspielunternehmer Novomatic zurück, der in der südpolnischen Metropole eine Firma mit rund 100 Informatikern betreibt, die Software produzieren.

Die voestalpine hat in der Nähe von Kattowitz, das 70 Kilometer von Krakau entfernt und die Hauptstadt Schlesiens ist, eine große Niederlassung. Die Brauunion hat die Brauerei Zywiec erworben. Die Strabag baut den Hauptbahnhof von Kattowitz um. Die Immofinanz betreibt dort das Celesio-Einkaufscenter. Die VAMED, zu der unter anderem die Thermen Geinberg und Laa gehören, verhandelt über den Bau von zwei neuen Relax-Oasen.

Eine davon soll im Wallfahrtsort Tschenstochau errichtet werden. Ein Grazer Architektenbüro wird das neue Schlesische Museum in Kattowitz gestalten. Kürzlich hat eine Gruppe von oberschlesischen Kommunalverantwortlichen die Müllverbrennungsanlagen von Wels und Lenzing besichtigt, um ähnliche Projekte in ihrer Heimat zu realisieren.

Der Scharnsteiner Fertighaushersteller Wolf hat in der Nähe von Kattowitz eine Niederlassung , wo rund 100 Mitarbeiter beschäftigt sind, die im vergangenen Jahr 150 Häuser errichtet haben. 100 davon gingen nach Deutschland. Das Holz und die Rigipsplatten kommen aus Österreich. Ein Arbeiter verdient monatlich zwischen 500 und 700 Euro.

In der Umgebung Krakaus betreibt die Welser Backmittelfirma Diamant, die aus der ehemaligen Fritsch-Mühle hervorgegangen ist, eine Niederlassung. Es sind dort 33 Mitarbeiter beschäftigt, die rund 10 bis 12 Prozent des polnischen Marktes beliefern. Von Krakau aus werden auch die Märkte in Estland, Lettland, Litauen und der Urkraine bearbeitet.