Chronik/Oberösterreich

"Mit smart meter und home automation mehr als zehn Prozent Strom sparen"

Werner Steinecker (65) ist seit 50 Jahren Mitarbeiter der Energie AG und seit fünf Jahren ihr Vorstandsvorsitzender.

KURIER: Ich wohne in einer Wohnung in Linz, die mit Gas aus Russland geheizt wird. Werde ich im Winter frieren?

Werner Steinecker: Nein. Die heimischen Gasspeicher sind bereits gut gefüllt. Österreich ist in der begnadeten Lage, über Gasspeicherkapazitäten zu verfügen, mit denen der heimische Jahresbedarf an Gas abgedeckt werden kann. Gasmengen für Haushaltskunden sind sowohl technisch als auch rechtlich besonders geschützt.

Steht dieses Gas Österreich zur Verfügung, oder können andere Länder wie zum Beispiel Deutschland darauf zurückgreifen?

Der Staat verfügt über eine strategische Gasreserve im Ausmaß von 20 Terawattstunden, auf die im Bedarfsfall jedenfalls zugegriffen werden kann. Darüber hinaus haben Versorger zu bestimmten Zeitpunkten in Abhängigkeit des Verbrauchs ihrer schützenswerten Kunden, also insbesondere allen Privatkunden, bestimmte Speicherstände nachzuweisen. In den heimischen Speichern liegen aktuell rund 70 Terawattstunden. Damit können über die Wintermonate die Haushalte, aber auch andere Kundensegmente versorgt werden.

Es gibt aber sehr kritische Äußerungen, zum Beispiel von Stefan Pierer, dem Präsidenten der Industriellenvereinigung.

Pierer sagt zu Recht, dass ein außergewöhnlich kalter Winter unser Einlagerungsvolumen überstrapazieren kann.

Ist das eine theoretische oder naheliegende Befürchtung?

Wenn der Winter besonders kalt wird, führt das naturgemäß zu einem Mehrverbrauch von Gas. Bei einer geringen Wasserführung in den Flüssen, wie zuletzt im Hochsommer, kann es außerdem sein, dass zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung vermehrt Gas zur Verstromung aufgebracht werden muss. Und all das just zu dem Zeitpunkt, wo der Preis hoch ist.

Wie hoch ist diese Wahrscheinlichkeit?

Gering. Die Marktlage ist volatil und die geopolitische Lage angespannt, aber ich bin guter Dinge. Wir reden alle nur über die Energiepreisverwerfung aufgrund des Russland-Krieges gegen die Ukraine und den damit verbundenen geringeren Gasliefermengen nach Europa. Dabei hat das Problem schon im Oktober begonnen. Von den 58 französischen Atomkraftwerken waren die Hälfte in Revision, sie konnten ihre Revision nicht abschließen, weil sie die Halbleiterkomponenten aus Fernost aufgrund von Corona nicht bekommen haben. Wir hatten keine Einspeisung aus den Windparks im Norden Deutschlands. Aufgrund der Inversionswetterlage konnte Fotovoltaik nur wenig genutzt werden. Auf der anderen Seite hat die Wirtschaft zu diesem Zeitpunkt prosperiert und die Angebots-Nachfrage-Spanne hat zu ersten Preisverwerfungen noch vor Kriegsbeginn geführt. Man sagt, wenn man kein Glück hat, kommt Pech auch noch dazu. Das hat damals zugetroffen.

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In welchem Ausmaß hat der Krieg die Lage nochmals verschärft?

Die Probleme begannen im Oktober, am 24. Februar war dann Kriegsbeginn. Er hatte einen Einfluss über den Umweg der Gasverknappung auf die Gasverstromung. Auf einmal hatte das die Dominanz. Zu den Auswirkungen des Krieges kam das Problem der großen Trockenheit. Wir sind deswegen mit einem extrem schlechten energetischen Geschäftsjahr konfrontiert. Wir mussten zu hohen Preisen Strom und Gas zukaufen, weil die eigene Wasserkraftproduktion um 30 Prozent niedriger war

Die Linz AG hat eine Erhöhung der Gaspreise angekündigt, für einen durchschnittlichen Haushalt soll sich der Preis auf 44 Euro pro Monat knapp verdoppeln. Wie hoch sind die Erhöhungen bei der Energie AG?

Wir halten unsere Preisgarantie beim Strom und Gas bis Jahresende. Die Kilowattstunde Strom um acht bis neun Cent. Wir sind hier einsame Spitze. Mit Jahresbeginn müssen wir ihn aber erhöhen.

Auf wie viel?

Das werden wir sehen. Wir werden uns im mittelösterreichischen Sample einpendeln, wie hoch dies sein wird, kann man noch nicht sagen. Durch die Strompreisbremse erhöht sich bis 2.900 Kilowattstunden der Preis von acht oder neun Cent auf zehn Cent. Darunter fallen rund zwei Drittel unserer Kunden.

Wie sieht es beim Gas aus?

Bei Bestandskunden beträgt der Preis rund vier Cent pro Kilowattstunde. Wie hoch dieser angepasst werden muss, wird gerade evaluiert.

Die Energieabhängigkeit Europas von Russland kommt uns nun teuer zu stehen. Wer trägt dafür die Verantwortung?

Es ist zu einfach zu sagen, das ist dieser Politiker oder diese oder jene Regierung. Was wäre gewesen, wenn eine Regierung vor zwei Jahren gesagt hätte, wir kaufen nun teures Gas von den Amerikanern oder von Qatar ein, weil wir zu sehr von Russland abhängig sind? Und wir bauen teure LNG-Terminals? Und wir bauen Schiffe, die wir nicht haben? Derzeit sind rund 700 LNG-Tanker weltweit unterwegs, der größte Flottenbetreiber ist der gebürtige Linzer Helmut Sohmen mit der BW-Group. Damals hätte niemand Verständnis dafür gehabt, denn selbst in Zeiten des Kalten Krieges hat die Sowjetunion verlässlich geliefert.

Was ist nun notwendig, um die angespannte Situation zu entschärfen? Johannes Teyssen, ehemaliger Präsident der Eurelectric, des europäischen Spitzenverbandes der Stromwirtschaft, fordert in einem Gastbeitrag für die Neue Zürcher Zeitung, eine verstärkte europäische Zusammenarbeit am Energiesektor.

Die Energiekrise zeigt die Schwäche Europas. Die Staaten sind hier völlig unterschiedlich, jeder fährt seine eigene „Religion“. Die Franzosen haben mit ihrer Atomenergie eigene Probleme, die Polen haben wieder andere als die Italiener. Wenn man nun nach einer europäischen Koordination ruft, dann wünsche ich uns alles Gute. Es hat sich nun gezeigt, dass jene, die bereits über LNG-Terminals verfügen wie die Spanier oder die Portugiesen oder auch die Franzosen, für Gas aus Russland kaum Verständnis haben. Das macht Europa so schwierig koordinierbar. Die Interessen sind völlig unterschiedlich.

Es gibt nun von Politikern Empfehlungen, wie Energie gespart werden soll. So soll beispielsweise die Wohnungstemperatur 19 Grad C nicht übersteigen.

Ich würde mir mehr Vertrauen der Politik in die Eigenverantwortung von uns allen wünschen. Ich traue jedem zu, dass er selbst in der Lage ist, die Raumtemperatur nicht auf 25 Grad zu stellen. Wir haben von der EU abwärts das Smart-Meter-Gesetz. Die fern ablesbaren Zähler werden nun elektronisch ausgewertet. Dieser intelligente Zähler kann aber viel mehr. Wenn man den Smart Meter mit einer marktgängigen home automation kombiniert, dann hilft das deutlich beim Stromsparen.

Das heißt, die Appelle, einen Pullover mehr anzuziehen, sind verzichtbar. Wesentlich effektiver wäre der Smart Meter mit der home automation.

Die Datenauswertung des Smart Meter sind aufgrund der Proteste der Datenschützer verboten. Alle haben Grauslichkeiten befürchtet, was mit Smart-Meter-Daten passieren könnte.

Es braucht eine also eine neue gesetzliche Lösung?

Es braucht gesetzlich eine andere Würdigung, was mit Daten passieren kann. Natürlich unter Wahrung des Datenschutzes, aber nicht überbordend. Damit man wertvolle Daten zur Verfügung hat, um in Kombination mit einer home automation zu einer optimalen und günstigen Energieversorgung zu kommen. Da ist viel mehr drinnen als in den Politikerappellen.

Was heißt viel?

Das Einsparpotenzial kann deutlich über zehn Prozent der Jahresstromkosten liegen.