Linzer Mariendom ist 100: Darf man in der Kirche Bananen essen?
Von Josef Kleinrath
Die Rudigierstraße führt in Linz zum Mariendom. Sie ist benannt nach Bischof Franz Josef Rudigier, der die Initiative für den Bau des neuen Doms in Linz und 1862 den Grundstein für diese Kirche gelegt hat.
62 Jahre wurde am Mariendom, dem damals größten Bauvorhaben Europas, gebaut – am 29. April jährt sich das Kirchweihfest nun das 100. Mal. Dabei geht es dem Mariendom fast wie der unvollendeten „Sagrada Familia“ in Barcelona. „Fertig wird der Dom nie sein“, sagt der Linzer Bischof Manfred Scheuer über „seine“ Kirche, die er 1967 das erste Mal betreten hat.
„Liebe auf den ersten Blick war das nicht, das hat sich erst in den letzten acht Jahren entwickelt“, schmunzelt er. Er selbst betritt den Mariendom am liebsten von der Turmseite her: „Da öffnen sich die Räume einladend.“
Bischofsvikar Johann Hintermaier spricht von einem Gottes- und Menschenhaus, wenn er über den Dom spricht. Die neugotischen Rippengewölbe, die den Dom tragen, greift er sinnbildlich für das Jubiläumsjahr auf. „Vier Rippen tragen das Jahr: Die Spiritualität, die Musik, Kunst und Kultur sowie Begegnung und Kommunikation.“
Ein erster Höhepunkt wird dabei naturgemäß das Festwochenende Ende April darstellen – mit Tag des offenen Doms, Sonderbriefmarke, Hüpfkirche und einer Zaubershow von Magic Priest Gert Smetanig. Am Sonntag, 28. April, feiert Bischof Scheuer den Festgottesdienst mit der Messe in d-Moll von Anton Bruckner.
„Locus iste“
Der große Linzer Komponist, Organist und Kirchenmusiker darf bei dem Jubiläum nicht fehlen: Einerseits ist er in einem der berühmten Glasfenster des Doms verewigt, andererseits komponierte Bruckner, der bis 1868 Organist im Alten Dom war, für den Mariendom seine berühmte Motette „Locus iste“.
„Dieser Ort ist von Gott geschaffen,
ein unschätzbares Geheimnis,
kein Fehl ist an ihm.“
Unter dem Titel „Bruckner-Resonanzen“ findet am 27. April eine musikalisch-poetische Annäherung an den Komponisten statt.
Der Linzer Mariendom heißt ja auch deshalb Mariendom, weil er die „überragende Marienverehrung in Oberösterreich dokumentieren und verewigen“ sollte, erinnert die Diözese Linz in einer Aussendung zum Jubiläum. Dabei wird es allerdings nicht belassen.
Denn das Jubiläum gibt auch den Raum für die künstlerische Auseinandersetzung mit relevanten gesellschaftspolitischen Themen. Etwa mit der Veranstaltungsreihe „DonnaStage“.
Die „DonnaStage“
„Der Mariendom wird Aushandlungsort für zeitgemäße und wichtige Fragen nach Frauenrollen, Familienbildern und Geschlechtergerechtigkeit“, bringt Martina Resch, eine der Initiatorinnen dieser Reihe, einen modernen, feministischen Aspekt der Gegenwart ein: „In der Bauzeit des Doms fanden idealisierte Bilder von Maria, Josef und dem Jesukind als Heilige Familie weite Verbreitung. Heute sind Familienkonstellationen und Rollenbilder aber diverser geworden.“
Diesem geänderten Frauen- und Familienbild versucht „DonnaStage“ gerecht zu werden: „Wir wollen überlieferte Vorstellungen kritisch hinterfragen und durch künstlerische, diskursive Projekte mit der Gegenwart konfrontieren.“ Es sei ein „wichtiger Akt der Kirche, die eigene Weiblichkeit zu hinterfragen“.
Das stelle, so Resch, einen Schritt hin zu einer pluraleren Deutung und Öffnung der Kirche dar. Resch stellt die Frage: „Können wir dem Dom und der Gesellschaft eine neue Leseart einschreiben und kann Maria für die moderne Frau des 21. Jahrhunderts auch eine Inspiration sein?“
Und im Zuge dessen stellt sich auch diese Frage: „Darf man in der Kirche Bananen essen?“ Unter diesem Titel setzt sich das Theater Stellwerk in einem für das Weihejubiläum konzipierten Stück mit dem Thema Gleichgewicht auseinander – Schauspielerinnen und Schauspieler, darunter Verkäuferinnen und Verkäufer der Linzer Obdachlosenzeitung „Kupfermuckn“, stellen die Frage, was in der Welt, in unserer Welt, aus der Balance geraten ist.
Als Bühne dient dazu ein liegendes Kreuz, auf dem dieses Ungleichgewicht dargestellt ist. Und die Bananen? Die Antwort gibt es am 7., 8. und 22. Juni bei den Aufführungen.
Das neue Domcenter
Das Domcenter, ein moderner, offener Zubau, ist Ausgangspunkt für einen neuen Rundgang mit multimedialen Vermittlungsstationen. Dieser ermöglicht – über die Turmkapelle Ost und Turmhalle hinein in den Kirchenraum – spannende Einblicke in und neue Perspektiven auf die Besonderheiten des Doms und ausgewählte Objekte des Kunstschatzes.
Im neuen Ausstellungsraum in der Turmkapelle können in virtuellen Vitrinen Objekte wie der berühmte Blümelhuber-Schlüssel betrachtet werden. In Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, dem Ars Electronica Center und dem Bundesdenkmalamt wurde ein Digitalisierungskonzept umgesetzt.
Mehr als 3.000 Objekte, darunter historische Originaldokumente, wie beispielsweise Pläne von Dombaumeister Vincenz Statz aus dem Jahr 1866, aber auch Kunstgegenstände, Gemäldefenster und Mosaike sorgsam gesichtet, kategorisiert, mithilfe von Metadaten in eine Datenbank katalogisiert und mittels Hightech-Scanverfahren bildgebend verarbeitet.
Die ganze Fülle an Veranstaltungen ist detailliert unter www.100jahremariendom.at zu finden.