Brucknerhaus-Aufsichtsrat: Intendant Kerschbaum muss gehen
Von Josef Kleinrath
Um 10 Uhr hat die Sitzung des Aufsichtsrats zu den Dissonanzen im Brucknerhaus begonnen. Das Thema ist heikel: Der Intendant des Brucknerhauses, Dietmar Kerschbaum, ist mit schweren Vorwürfen konfrontiert.
Einerseits geht es darum, dass seine Bestellung geschoben gewesen sein soll - das dazu von Aufsichtsratsvorsitzendem Klaus Luger (SPÖ) beauftragte Gutachten wurde präsentiert. Aber auch dieser ist - als Kontrollorgan, der Kerschbaum gewähren ließ, unter Druck.
Drei Beschlüsse hat der Aufsichtsrat einstimmig gefasst:
Die LIVA- wird einer Compliance-Überprüfung unterzogen. Luger: "Wir schauen, ob wir andere und bessere Regeln brauchen."
Das Vertragswerk um Opus 3 - jene Agentur, die Kerschbaum für die Programmierung ins Haus geholt hatte, wird geprüft - auch unter dem Aspekt, wie der Vertrag aufgelöst werden könnte. Die Konstruktion des Vertrages sei komplex: "Wir müssen auch prüfen, welche Auswirkungen das auf das bereits gebuchte Programm hat."
Dritter Punkt: Die beiden bisherigen Geschäftsführer, Kerschbaum und Stadler werden mit sofortiger Wirkung freigestellt, um eine lückenlose Aufklärung zu ermöglichen. "Eine Freistellung ist keine Vorverurteilung", betonte Luger.
"Wichtig ist, dafür zu sorgen, dass kein Schaden am Haus entsteht, damit es strahlen kann, wenn wir das Jubiläum nächste Woche feiern", betont Luger.
"Mein persönlicher Eindruck von der Sitzung: Wir haben sehr professionell und sachlich gearbeitet, Alle Beschlüsse waren einstimmig, das zeigt, dass wir handlungsfähig sind", so Luger.
Kerschbaum habe zugesagt, dass er an der Aufklärung mitwirken werde. Die Vorwürfe könnten nicht, so Luger, in einer Sitzung aufgeklärt werden.
Beide Geschäftsführer wurden deshalb freigestellt, weil bei allen Vorwürfen das Vier-Augen-Prinzip geherrscht und auch eingehalten worden sei. Stadler habe immer über alles Bescheid gewusst.
Vor allem der Punkt mit der Agentur, die Kerschbaum für die Programmgestaltung engagiert hatte, lag Luger im Magen. "Das ist schon sehr unüblich für ein Haus wie das Brucknerhaus."
Betrachtenswert ist aber auch dir Rolle Lugers in der Frage, wie er mit den aufgetauchten Vorwüfen umgegangen ist. Denn rund14 Tage, nachdem der Aufsichtsratsvorsitzende über den Verdacht der Schiebung bei der Postenbesetzung informiert wurde, hat es eine LIVA-Aufsichtsratssitzung gegeben - genau am 15. Dezember.
In dieser Sitzung hat Luger bewusst darauf verzichtet, die anderen Mitglieder über die aufgetauchten Ungereimtheiten zu informieren. In der Pressekonferenz erklärte Luger das damit, dass das Gremium nicht vertrauenswürdig sei. Und führte als Beweis an, dass aus der Aufsichtsratssitzung heute, am 15. März, Informationen über die Freistellung während der Sitzung hinausgegangen seien.
Weiters versicherte er erneut, mit dem Rechtsgutachten in dieser Angelegenheit alle nötigen Schritte eingeleitet zu haben. Mehrmals stellte sich Luger gegen eine Vorverurteilung Kerschbaums, auch wollte Luger nicht kommentieren, ob Kerschbaum angesichts der laufenden Debatte überhaupt noch als Brucknerhaus-Geschäftsführer tragbar sei.
Was nicht im Aufsichtsrat Thema war: Der persönliche Führungsstil Kerschbaums im Haus, der zuletzt auch für Kritik gesorgt hat.
Schon vorab war klar: In der Sitzung geht es um Konsequenzen. Um personelle Konsequenzen. Für ÖVP-Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer sind nach der Sitzung einige Fragen beantwortet, viele neue offen. Diese müssten jetzt geklärt werden - ob es mit der Freistellung von Kerschbaum und Stadler getan sei, ließ sie offen: Da könnten noch weitere Schritte nötig sein.
Die Freistellung ist für die ÖVP nur der erste Schritt, dem eine vollständige und transparente Aufklärung aller Vorfälle folgen müsse.
Noch härter formuiert es Georg Redlhammer von den Neos. "Viele Vorwürfe gegen Herrn Kerschbaum waren schon lange unter der Hand bekannt, der Kontrollamtsbericht gar öffentlich. Spät aber doch musste der Bürgermeister jetzt reagieren, auch wenn er das Brucknerjahr vielleicht gerne abgewartet hätte."
Er ist überzeugt, dass nur "die Spitzes des Eisbergs" bekannt sei: "Endlich ist die Maschinerie der detaillierten Prüfung angelaufen. Jeder Stein wird umgedreht. Und mit Sicherheit wird uns der Skandal noch länger beschäftigen.“
Die Vorwürfe
Die Liste der Vorwürfe ist lang, und die Vorwürfe wiegen schwer. „Das sind keine Kavaliersdelikte“, sagt sogar der Linzer SPÖ-Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Luger (SPÖ) im Vorfeld dazu.
Ausgangspunkt ist der Vorwurf, Dietmar Kerschbaums Bestellung zum künstlerischen Leiter des Brucknerhauses sei geschoben gewesen.
Er hat die Fragen für das Hearing vorab erhalten – und auch angesehen. Das bestreitet er auch nicht. Dieser Vorwurf ist Luger seit Ende November des Vorjahres bekannt.
Erst vor wenigen Tagen sind Kerschbaum und Luger von einem gemeinsamen Trip aus den USA zurückgekommen. Um Werbung für das Brucknerjahr in New York zu machen.
Neue Vorwürfe
Während dieser Reise sind weitere Vorwürfe aufgetaucht. Dazu zählen die Selbst-Engagements Kerschbaums im eigenen Haus zu Top-Konditionen, aber auch, dass Kerschbaum für die künstlerische Programmierung trotz großen Mitarbeiterstabes eine externe Agentur engagiert hat.
Auch seine Nebentätigkeiten stehen jetzt zur Debatte. Dazu kommt Kritik am persönlichen Umgang Kerschbaums mit Mitarbeitern und Künstlern samt als „verschwenderisch“ bezeichneten wirtschaftlichem Führungsstil.
Letzteres ist allerdings nicht ganz neu: Ein Kontrollamtsbericht aus dem Vorjahr machte das bereits öffentlich, die Konsequenzen hielten sich in überschaubaren Grenzen. Nur ein neuer wirtschaftlicher Geschäftsführer wurde Kerschbaum mit 1. März zur Seite gestellt. +
Jubiläum wird überschattet
Der Skandal um den künstlerischen Leiter des Brucknerhauses kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn am kommenden Wochenende findet das große Fest zum Jubiläum des Konzerthauses statt. Der 50. Geburstag wird mit zwei Konzerten gefeiert - eines vom Brucknerorchester, jenes am Samstag mit den Wiener Philharmonikern.
Das Setting dafür werde in den nächsten Tagen überarbeitet, sagte Luger bei der Pressekonferenz, schließlich hätte Kerschbaum einen Gutteil davon bestritten.