Europäische Autokonzerne kündigen Händler – Chinesen drängen nach
Von Josef Ertl
Der Grieskirchner Autohändler Adolf Paul Seifried (49) ist Obmann der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer OÖ. Seifrieds Autohaus vertritt die Marken Hyundai, weiters im Großhandel die Marken Evum (vollelektrische Allrad-Nutzfahrzeuge aus Deutschland, Zielgruppen sind Gemeinden, Magistrate, Länder) und NME (vollelektrische Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen aus China).
KURIER: Die Autohändler haben nur mehr wenig Gebrauchtfahrzeuge zum Verkaufen, ihre Ausstellungsflächen sind aus Mangel an Fahrzeugen teilweise leer. Die Nachfrage ist groß, das Angebot klein. Warum?
Adolf Paul Seifried: Wir sind durch Covid in eine Lieferengpasssituation gekommen. Es kamen aufgrund des Chipmangels wenig neue Autos nach. Das Angebot an Neuwagen ist wesentlich schlechter geworden. Die Kunden haben die Märkte leer gefegt, vor allem an jungen Gebrauchten. Wenn keine neuen Autos nachkommen, können die Leasingfirmen die Fahrzeuge nicht austauschen. Somit kommen keine Rückläufer aus Mietwagen und keine Leasing-Rückläufer in die Märkte. Wir haben geglaubt, dass sich das heuer beruhigt, aber das hat sich durch den Krieg gegen die Ukraine zeitlich nach hinten verschoben. Es kam zu Problemen mit Zulieferfirmen aus Osteuropa, zum Beispiel bei den Kabelbäumen aus der Ukraine.
Die Preise für Gebrauchtautos sind sehr hoch, sie reichen an die von Neuwagen heran. Wird sich das wieder normalisieren?
Sicher. Es wird noch eine Zeit lang dauern, bis wieder so produziert werden kann wie früher. Bedingt durch die Inflation werden die Neuwagen auch teurer werden. Auch die Gebrauchten werden teurer werden. Wir haben einen gebrauchten Golf im November des Vorjahres bewertet, und jetzt, ein dreiviertel Jahr später, wieder. Es ist um 1.000 Euro teurer geworden, obwohl er älter geworden ist. Das hat es überhaupt noch nie gegeben.
Die Autokonzerne sind angesichts des Chipmangels bestrebt, primäre große Fahrzeuge zu produzieren und zu verkaufen, weil hier ihre Gewinnspannen höher sind.
Die Situation hat sich angesichts der Krisen dahin gewandelt, dass die Autohersteller primär die Autos produzieren, die für sie ertragsbringender sind, weil sie einen geringeren CO2-Ausstoß haben. Es ist von der EU ein Grenzwert von 95 Gramm vorgeschrieben. Das ist umgerechnet ein Verbrauch von vier Liter Diesel bzw. Benzin. Wenn der Grenzwert nicht eingehalten wird, müssen die Hersteller pro Gramm Überschreitung 1.000 Euro pro Auto Strafe zahlen. Überschreitungen kosten richtig viel Geld, das geht in die Milliarden. Jetzt bauen die Hersteller primär größere, vollelektrische Autos, bei denen sie wirklich Geld verdienen. Die anderen Autos bauen sie nicht bzw. diese haben eine lange Lieferzeit.
Die Lieferzeiten sind enorm, so manche Käufer müssen länger als ein Jahr auf ihr neues Fahrzeug warten.
Das ist von Marke zu Marke unterschiedlich. Es gibt Produkte von Marken, die lieferbar sind, und andere Produkte von anderen Marken, die nicht lieferbar sind.
Covid, der Ukraine-Konflikt, die CO2-Vorgaben und die Inflation haben dazu geführt, dass die Autos erheblich teurer geworden sind.
Nicht in allen Segmenten.
In welchen nicht?
Das Kleinwagensegment, wenn es Angebote gibt, ist preislich fast gleich wie vorher. Es geben nicht alle Marken alle Preissteigerungen vollumfänglich weiter. Die höherpreisigen Fahrzeuge sind empfindlich teurer geworden.
Wer kauft solche Autos? Unternehmen?
Die meisten sind Firmenfahrzeuge.
Der Druck der Autokonzerne auf die Autohändler ist groß. Der Innviertler Peugeot-Händler Büchl hat sich mit einer Klage erfolgreich dagegen gewehrt. Das Verhalten der Konzerne ist teilweise ein Missbrauch ihrer Marktmacht und unredlich.
Es gibt gewisse Marken, die Strategien vertreten, die wir Autohändler nicht verstehen. So hat zum Beispiel Stellantis (Peugeot, Opel, Fiat, Alfa Romeo, Citroën, etc.) in ganz Europa alle ihre Händler gekündigt. Sie strukturieren ihre Gebiete neu, gewisse Händler haben einen LOI (Letter of interest, Absichtserklärung, Anm.) bekommen, andere wieder nicht.
Tatsache ist, dass dieses Modell auch bei anderen Marken Schule gemacht hat. Es ist für mich total pervers, dass neue Player auf den europäischen Markt drängen, die auf jeden Fall bestehende Händlernetze nutzen wollen. Das sind vor allem die Chinesen. Der größte Händler Europas, die Emil-Frey-Gruppe (22.000 Mitarbeiter, 678 Standorte, 11 Mrd. Schw. Franken Umsatz), hat gerade Verträge mit chinesischen Autoherstellern abgeschlossen und bietet ihnen sein Händlernetz an.
Die Konzerne versuchen zunehmend ihre Neuwagen online zu verkaufen und nicht mehr über den Handel. Sie ersparen sich die Händlerspanne. Sie sagen, wenn das bei Tesla funktioniert, warum soll das nicht bei uns funktionieren? Dazu kommt, dass Händler nur mehr zu einem einheitlichen Preis verkaufen dürfen.
Das ist das Agenturmodell. Mercedes macht das zum Beispiel in Österreich. In der Konzernzentrale wird der Preis für das Fahrzeug bestimmt, und es gibt dieses Produkt in Österreich zum selben Preis.
Was halten Sie davon?
Es gibt hier mehrere Sichtweisen. Wenn die Händlervertreter für sich beschließen, dass das okay ist, kann das gut sein. Es gibt aber andere Händlervertreter, die sagen, das passt gar nicht. Bei Mercedes sind sie davon begeistert, weil sie in der Lagerhaltung nicht mehr so viel Ware vorhalten müssen. Und es gibt keine Feilscherei mehr. Der Preis für den einen Mercedes ist in ganz Österreich gleich.
Das ist möglicherweise für die Autohändler gar nicht so schlecht?
Es wird sich im Wettbewerb weisen, ob Mercedes ihre Marktanteile wird halten können. Es kommt auch darauf an, wie die anderen Marktteilnehmer reagieren werden.
Wie werden die Autohändler auf das Agenturmodell reagieren?
Es ist definitiv eine Marktveränderung spürbar. Es weiß noch nicht jede Marke, in welche Richtung sie geht. Manche Händler orientieren sich komplett neu.
Wo liegt die Zukunft der Händler?
Manche werden noch größer werden und gestärkt aus der Veränderung hervorgehen. Die Händler der Zukunft spezialisieren sich auf die neuen Antriebsarten wie die Elektroautos. Hätten wir den Druck der EU wegen der CO2-Reduktion nicht, hätten wir keine Elektroautos in Europa und die Chinesen, die hier wesentlich weiter vorne sind, würden uns überrennen.
Hyundai ist neben Toyota der einzige Hersteller von Wasserstoff-Autos. Sehen Sie für diese Pkw eine Zukunft?
Ich bin mit dem Hyundai Nexo 40.000 km gefahren, mit einem Tank habe ich 500 bis 600 km zurückgelegt. Ohne jegliche Einschränkung. Das Tanken dauert ebenso kurz wie bei einem Verbrenner. Das Auto ist leise, hinten kommt nur Wasserdampf raus. Eine charmante Technologie. Das Auto hatte ein Eigengewicht von 1.894 kg. Wenn ich dasselbe Fahrzeug mit Batterie ausrüsten würde, dann würden wir von einem Auto mit 2.500 kg reden. Ab einer Gewichtsklasse von 2.500 kg, unabhängig davon, ob Lkw oder Pkw, lohnt es sich, über Wasserstoff nachzudenken. Wenn das Auto nicht so schwer ist, reicht die Batterie.