Chronik/Oberösterreich

„Eine Tür geht zu, eine andere auf“

Loslassen ist einer der schwierigsten Prozesse im Leben. Jakob Auer, am 31. August im Sternzeichen des Löwen geboren und 71 Jahre alt, war 47 Jahre politisch tätig. 1973 begann er als Gemeinderat in Fischlham und war dort 32 Jahre lang Bürgermeister (1977–2009). Dazu kamen 34 Jahre als Abgeordneter zum Nationalrat (1983–2017), 21 Jahre als ÖVP-Bezirksparteiobmann, sechs Jahre als Bundesobmann des Bauernbundes (2011–2017) und 20 Jahre als Obmann bzw. Aufsichtsratspräsident der Raiffeisenlandesbank OÖ, eine Funktion, die er kürzlich abgegeben hat. „Ich habe den riesigen Vorteil, dass ich Landwirt bin, ich kann daher etwas anderes machen“, sagt er. „Ich mache jetzt halt Dinge als Hobby, wie zum Beispiel den Obmann des Vereins der Pferdefreunde in Stadl-Paura.“

Der Tag X kommt

Die Funktionen als Obmann der Raiffeisenbank Wels-Süd und als stellvertretender Raiffeisen-Generalanwalt bekleidet er noch, lässt sie aber auslaufen. „Einige Funktionen sind mir wirklich am Herzen gelegen. Aber ich habe mich immer seelisch darauf vorbereitet, dass der Tag X kommt und daher habe ich beim Ausscheiden keine Schmerzen gehabt.“ Er schaue mit Dankbarkeit zurück. „Ich habe die Chance gehabt, hier dabei zu sein.“

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Steckt man das alles so locker weg? „Eine Tür geht zu, eine andere geht auf.“ Manche behaupten, er habe in der Raiffeisenbank nicht aufhören können. Auer lacht. „Das ist geradezu lächerlich. Wer sagt, dass ich nicht aufhören kann?“ Sein Bruder Hans, der Bürgermeister der Gemeinde Steinerkirchen gewesen ist, habe ihn nach fünf Tagen auch angerufen und gefragt, wie es ihm gehe. Seine Antwort: „Was soll sein? Ich habe da kein Problem, ich bin völlig relaxt.“

Aber das Leben ist doch nun ein völlig anderes? Zuerst Jahrzehnte in Wien und Linz, nun wieder reduziert auf Fischlham. „Nicht ganz. Ich war gestern in Salzburg, heute bin ich in Linz, ich war am Montag in Linz, ich bin in Wien. Ich bin immer noch unterwegs.“

Wer schafft an?

Die Landwirtschaft führt doch eigentlich der 47-jährige Sohn. Auer: „Solange mich mein Sohn lässt, bin ich dabei.“ Er lacht. Und wer ist der Chef, er oder der Sohn? „Es ist ein miteinander. Das war eher noch das Herausforderndste zu akzeptieren, dass er jetzt sagt, wir machen das nun so und so.“ Akzeptiert das ein Jakob Auer? „Ich akzeptiere das. Noch nicht lange, ich lerne jeden Tag dabei. Aber seit einigen Jahren verändert sich das.“

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"Ich hatte viel Glück"

Was hat er noch geplant? Auer wirkt ausgesprochen fit. „Ich will noch nicht alles sagen. Ich werde im Herbst sicher einen Intensivkurs in Englisch machen. Ich will mich weiterbilden, unter dem Motto, der Mensch lernt nie aus.“ Wenn man so lange in Funktionen gewesen sei, habe man einen großen Erfahrungsschatz angesammelt. Die Bürgermeisterei habe ihm bei den vielen Verhandlungen geholfen. „In der Gemeinde sei man jede Stunde auf dem Prüfstand.“

Konflikt mit dem Vater

Ist er mit dem Verlauf seines Lebens zufrieden? „Ich habe viel Glück gehabt. Es war sicher herausfordernd, weil ich mit 14 Jahren von Tirol (Kirchberg) hier heraus (Fischlham) übersiedelt worden bin. Es war ganz am Anfang eine etwas schwierige Jugendzeit, bis man Fuß fasst. Mein Vater, der bei der Übersiedelung schon 65 war, hatte keinen Führerschein, deshalb hatten wir kein Auto, bis ich 18 war. Wenn mein Vater das damals bewältigt hat, werde ich das wohl heute auch bewältigen (den Rücktritt, Anm.). Ich wollte nie Bauer werden, sondern wäre gern beim Militär geblieben und auf die Militärakademie gegangen. Ich hatte mich schon für die Abendmatura angemeldet. Ich hatte damals die große letzte Auseinandersetzung mit meinem Vater, weil ich den Hof nicht übernehmen wollte. Ich habe ihm dann in die Hand versprochen, dass ich nach Hause komme.“

Hat der Vater ein Machtwort gesprochen? „Ein Machtwort hätte nicht geholfen, er hat geweint und gesagt, ich würde ihn alleinelassen, wo er doch alles auf mich gesetzt habe und von Tirol hieher übersiedelt sei.“

Tschechien-Krise 1968

Die aktuelle Dienstzeitverlängerung beim Heer erinnert ihn an seine Jugend. „Wir hatten damals im August 1968, wegen der Krise in Tschechien, auch eine Dienstverlängerung von vier Wochen. Das Einsatz-Kennwort war Glockenspiel.“ Hat Auer eine Affinität zum Militär? „Nein, habe ich nicht. Ich respektiere und anerkenne die Leistungen. Ich habe zu meiner Zeit aber schon einige Typen erlebt, die für eine Aufgabe unfähig waren. Das waren Leute, die sonst nirgends zu gebrauchen waren. Es hat aber auch exzellente Leute gegeben.“

Hof mit 50 Hektar

Mit 23 Jahren hat er den Hof übernommen. Heute bewirtschaftet die Familie 50 Hektar, davon sind 30 Hektar Eigengrund. Das ist doppelt so viel als zu Beginn. Bei einem Bauer in Fischlham werden Schweine mit einem Gewicht von 30 kg gekauft und vier Monate lang gemästet, bis sie 100 kg schwer sind. Dann werden sie verkauft. Das Futter wird auf den eigenen Feldern angebaut.

Politik begeistert ihn immer noch

1970 ist Auer in die Junge ÖVP eingetreten. Er hatte einen Förderer. „Ein Nachbar von mir, Johann Kantner, war Ortsbauernobmann und er war als Bürgermeister vorgesehen. Er hat zu meinen Gunsten verzichtet, um mich zu unterstützen. Er hat mich gepusht.“ Politik habe ihn immer schon begeistert, „das tut sie auch heute noch“.