Chronik/Oberösterreich

Ein Kulturraum, eine Geschichte

Hätte man es organisiert, hätte es zeitlich nicht besser abgestimmt sein können. Der neu gewählte tschechische Präsident Milos Zeman war Dienstag und Mittwoch auf Staatsbesuch in Wien. Donnerstag wurde die grenzüberschreitende Landesausstellung „Alte Spuren, neue Wege“ eröffnet, die in Freistadt und Bad Leonfelden (Mühlviertel) sowie in Hohenfurth und Krumau (Südböhmen) über die Bühne geht. Zeman, der nicht nur in Tschechien als Nationalist und Polemiker bekannt ist, gab sich betont zurückhaltend und meinte, dass man die Beziehungen verbessern könnte, zum Beispiel beim Verkehr. „Es gibt keine Autobahn zwischen Brünn und Wien, es gibt keine Autobahn zwischen Budweis und Linz.“

Landeshauptmann Josef Pühringer nennt den geistigen und politischen Hintergrund für diese Ausstellung: „Es ist unser großes Anliegen, Grenzen und Vorhänge einzuebnen und Menschen zusammenzuführen. Der Zerfall des Eisernen Vorhangs gibt uns eine zweite Chance.“ Und diese Chance sollte man auf allen Ebenen nutzen.

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Oberösterreich und Südböhmen war ein gemeinsamer Raum, der sich über fast 1000 Jahre entwickelt hatte. Die Verweigerung der Anerkennung der Rechte der Völker in der Habsburgermonarchie führte zum Erstarken des Nationalismus. Das Heil wurde in den Nationalstaaten gesehen. 1918 wurde die Tschechoslowakei ausgerufen. Doch auch der Nationalstaat musste scheitern, weil er die Minderheiten nicht respektierte. Der Einmarsch der Deutschen, die Verbrechen der Nazis, die Vertreibung der Sudetendeutschen und die Diktatur der Kommunisten bildeten Tiefpunkte dieser Fehlentwicklung. Die Europäische Union ist das Gegenprogramm. Sie bekennt sich zur Vielfalt der Völker und zur Anerkennung ihrer Rechte. Der Eintritt in die EU ist das Ende des überdimensionierten Nationalismus.

Neue Wurzeln

Nachdem es 150 Jahre auseinandergegangen ist, wird wieder nach dem Gemeinsamen gesucht. Was ein gemeinsamer Raum, eine gemeinsame Geschichte war, soll neu entdeckt werden. Die Landesausstellung ist ein Teil dieses Prozesses. 2014 wird das 25-Jahr-Jubiläum des Falls des Eisernen Vorhangs gefeiert. 2015 wird die S10 fertig, die Linz vierspurig mit der tschechischen Grenze verbindet. Die Politiker Südböhmens bemühen sich um die Autobahnstrecke von Prag bis Wullowitz.

Die Wunden der Geschichte haben Narben hinterlassen. Doch es wachsen neue Wurzeln. Wer weiß beispielsweise schon, dass die Tschechen bei den Nächtigungen in Oberösterreich bereits die zweitstärkste Gruppe sind. Und renommierte oö. Unternehmen haben Niederlassungen in Südböhmen errichtet.

www.landesausstellung.com

Heute ist Bad Leonfelden eine Kurstadt. In der Geschichte ist sie groß geworden, weil sie an einer wichtigen Verbindung von Linz nach Böhmen lag. Vor allem profitierte die Kleinstadt ebenso wie das benachbarte Freistadt von den Salztransporten aus dem Salzkammergut und den Alpen in den Norden der Habsburgermonarchie. Da Böhmen selbst über kein Salz verfügte, waren diese Transporte lebenswichtig. Ohne Salz konnten tierische Lebensmittel nicht haltbar gemacht werden.

Die Landesausstellung in den ehemaligen Eybl-Häusern und im ehemaligen Bürgerspital zeichnen diese Wege nach. Straßen waren nicht nur Verbindungen, sondern es gab auch das Negative. Armeen wurden darauf geführt. Leonfelden stand immer wieder im Zentrum kriegerischer Attacken. Aus dem Norden kamen im 15. Jahrhundert hussitische Streitkräfte. Die Hussiten waren religiöse Rebellen, deren Führer Jan Hus 1415 beim Konzil von Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war. In der Ausstellung ist zum Beispiel eine Kollektion hussitischer Kampfstreitwagen zu sehen. Die Wagen wurden zu Wagenburgen zusammengestellt, damit sich die Angreifer müde liefen. Dann öffnete sich der Kreis, die Geschütze gingen in Stellung, der Gegenangriff startete.

Der 30-jährige Krieg (1618-1648) spielte auch eine gewisse Rolle. Die Schwedenschanzen gibt es heute noch. Eine Bauernstreitmacht wurde geschlagen. Bei Haslach wurden Armbrustspitzen, Bolzen von Armbrüsten und Eisenspitzen ausgegraben, die in der Ausstellung gezeigt werden.

Wer damals auf den Straßen unterwegs war, lebte gefährlich. Wo Wald und verlassene Gebiete zu durchqueren waren, gab es Räuber, desertierende Soldaten und anderes Volk.

Ein Kriminalwissenschafter hat alle Gaunerzeichen der damaligen Zeit, die ihm in seiner 40-jährigen Karriere untergekommen sind, auf einer Tafel aufgemalt. Drei Haxen heißen zum Beispiel: Hier kommt jeden Dienstag ein Kaufmann vorbei, den man ausrauben kann. Reisende waren auch anderweitig gefährdet. Zum Beispiel durch Bären, Wölfe oder dass beispielsweise die Bremsen der Wagen nicht funktionierten.

Der Staat tat einiges, um die Straßen sicherer zu machen. Auf einige Verbrechen stand die Todesstrafe. Er kassierte aber auch Zölle für die Benutzung – ähnlich wie heute, nur dass die Unterbrechungen häufiger waren. Wollte ein Händler über eine Brücke, musste er Maut zahlen. Die Ausstellung zeigt das 20. Jahrhundert als gemeinsames Haus der Monarchie – ein Vielvölkerstaat, der schon Aspekte der Zerrissenheit aufwies. Die Einheit des Landes wurde unter anderem repräsentiert durch eine adelige Oberschicht und den Beamtenapparat. Der Erste Weltkrieg ist der Schlusspunkt der Habsburgischen Monarchie.

Vertreibung

In einem großen Raum zerbricht das Haus Monarchie. Ein Grenzbalken ist im Fußboden eingelegt. Jedes der dargestellten Häuser symbolisiert einzelne Phasen. Wie die Erste österreichische oder auch die Erste tschechoslowakische Republik. Beide gingen 1938 unter, weil die Nazis einmarschierten.

Die Ausstellung reflektiert die Vertreibung der Tschechen in der NS-Zeit ebenso wie die Vertreibung der Sudentendeutschen 1945 auf der Basis der Benes-Dekrete. Es folgte der Niedergang des Kommunismus und der Beiritt zum gemeinsamen Haus Europa.

Schöne, große, weitläufige Räume zeichnen das renovierte Brauhaus der Freistädter Braucommune aus, in dem die Landesausstellung untergebracht ist. Naturgemäß nimmt das Bier hier auch thematisch einen wichtigen Platz ein.

Die Ausstellung selbst beginnt im Kellergeschoss, wo ein Modell des gemeinsamen Kulturraumes Mühlviertel-Südböhmen untergebracht ist. Es belegt, dass die böhmische Masse auch ein gemeinsamer Kulturraum war, der lediglich durch politische Grenzen immer wieder getrennt wurde. Das Modell zeigt die wichtigsten Städte, Flüsse, Orte und Burgen. Mittels eines Touchscreens kann man verschiedene Modelle wie Wirtschaft, Kultur etc. aufleuchten lassen.

Es wird auch das Thema Natur behandelt. Tiere kennen keine Grenzen. Es werden ihnen aber von den Menschen Grenzen gesetzt, Tiere werden von den Menschen oft ausgerottet. Wie im Mühlviertel der Bär oder der Wolf. Es gibt aber auch Tiere, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder eingewandert sind wie Luchse oder Elche.
Es gibt in Mühlviertel nur ein Bergwerk. Hier wird Kaolin abgebaut. Das Mühlviertel ist aber berühmt für seinen Granit. Die Pflastersteine heißen Wiener Granitwürfel, denn in der Hauptstadt ist fast jeder Pflasterstein aus dem Mühlviertel. Sie wurden zu Hunderttausenden auf der Donau nach Wien verschifft.

Nach dem Kellergeschoß wandern die Besucher in die beiden oberen Stockwerke, wo die vier Säulen der Gesellschaft, die vier sozialen Gruppen anhand verschiedener Ausstellungsstücke präsentiert werden: die Bauern als größte Gruppe, die Klöster und der Adel als Grundbesitzer und das Bürgertum.

Textilblaudrucke

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Südböhmen und Oberösterreich waren ganz selten ausschließlich unterbrochen, auch wenn es Grenzen gab, erläutert Elisabeth Gruber, Historikerin an der Universität Wien. Es wurden regionale Produkte wie zum Beispiel Leonfeldner Textilblaudrucke nach Böhmen verkauft, die Böhmen wiederum lieferten ihre Produkte nach Österreich. „Die Region lebte auch vom weit etablierten Handel mit Eisen und Salz. Salz wurde in Bad Aussee ab gebaut wie auch im Salzburgischen, Eisen vom Erzberg in der Steiermark. Alle diese Produkte wurden über Freistadt nach Böhmen weiterverkauft.“ Das Salz wurde auf der Donau nach Linz transportiert und dann auf dem Landweg nach Norden. Im Mittelalter und in der Neuzeit mit Pferdefuhrwerken, ab dem 19. Jahrhundert mit der Pferdeeisenbahn. Eines der wichtigsten Handelsgüter war das Bier.

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Im Foyer des Brauhauses wurde ein Sudkessel eingebaut, in den die Besucher hineinschauen können. Der alte Malzboden wurde renoviert. Die Besucher können Bier kaufen, nicht nur in den üblichen 0,33-Liter-Fläschchen, sondern auch in Mehr-Liter-Gebinden, aus dem selbst Landeshauptmann Josef Pühringer einen Schluck nahm.

Über die Ausstellungen in Krumau und im Stift Hohenfurth informieren wir am kommenden Sonntag, 5. Mai.