Chronik/Oberösterreich

„Ein ,Geht nicht‘ gibt es nicht“

Schon die Anfahrt nach Großgerharts, einer Ortschaft der 1620-Seelen-Gemeinde Thaya, ist ein Erlebnis. Die Straßen im Land des Erwin Pröll sind großzügigst ausgebaut. Der Blick in die Landschaft ist ein Genuss. Wälder, Wiesen und Felder wechseln sich ab, alles blüht. Das Waldviertel liegt zwar auf 500 Metern Seehöhe, aber es ist viel flacher als das benachbarte Mühlviertel.

Als wir in Großgerharts 26 ankommen, der Heimat der oberösterreichischen Bauernbunddirektorin Maria Sauer, ist nur Mama Helga (74) zu Hause. Sie ist bereits mit dem Schweinsbraten beschäftigt, der ihrer Meinung nach nur in einem holzgeheizten Ofen richtig ziehen kann. Vater Willibald Sauer (75) ist mit seinem Jagdhund Tasso auf Pirsch, denn ab 1. Mai dürfen die „Jahrlinge“ geschossen werden.

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Also besuchen wir Marias Schwester Irene Weidmann, die nur zwei Häuser weiter wohnt. Die 43-Jährige hat den Nachbarssohn Gerhard (48) geheiratet. Die Höfe wurden zusammengelegt, es werden 73 Hektar bewirtschaftet, 25 Milchkühe und rund 30 Stück Jungvieh gehalten und Getreide angebaut. „Vergangenes Jahr hatten wir einen Stalldurchschnitt von 10.000 Liter Milch“, erzählt Gerhard. Momentan dürfe man sich als Bauer nicht beschweren. Er ist ein fesches Mannsbild, man versteht, dass Irene ihn geheiratet hat. Es sei nicht klar gewesen, dass sie einmal den Hof übernehmen werde, erzählt sie. Sie sei nicht viel aus der Ortschaft herausgekommen, sie habe lediglich fünf Jahre in Wien studiert. Der Gerhard habe sich nicht mehr abbeuteln lassen, sagt sie und lacht. Der Liebe sind zwei Töchter entsprungen: die 18-jährige Katharina und die 13-jährige Anna.

Maria sagt, dass ihre Schwester schon immer Lehrerin werden wollte. Irene unterrichtet Deutsch und Geschichte an der Handelsakademie Waidhofen an der Ybbs. Natürlich hilft sie am Hof mit, meist geht sie am späten Nachmittag in den Stall: die Kühe melken, den Melkstand waschen, die Kälber füttern.

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Marias Leben hat sich anders entwickelt. Sie kam mit 14 ins Internat nach Krems, an die Höhere Bundeslehranstalt für Fremdenverkehrsberufe. In den Ferien musste sie Praktika machen, die sie unter anderem in die Schweiz und nach Tirol führten. Das hat ihr gefallen, denn „auf Urlaub fahren hat es bei uns nicht gegeben“.

Nach dem Besuch bei ihrer Schwester kehren wir in Marias Elternhaus zurück. Die Leberknödelsuppe und der Schweinsbraten sind fertig, der Vater ist zurück vom Revier. Auf die Begrüßung „Grüß Gott, Herr Präsident“ folgt seine Klarstellung: „Präsident gibt es nicht, ich bin der Willi Sauer.“ Seine Laufbahn ist beeindruckend. Seit 52 Jahren ist er in den verschiedensten Funktionen tätig: Zehn Jahre als Gemeinderat, zehn Jahre als Vizebürgermeister, sechs Jahre im Landtag, sechs Jahre im Nationalrat. Seit acht Jahren ist er Präsident des Roten Kreuzes in Niederösterreich. Weiters war er stellvertretender Landesjägermeister und österreichweiter Obmann der Rinderzüchter.

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Was hat der Vater der Tochter mitgegeben? „Den Spruch: ,geht nicht‘ gibt’s nicht“, erklärt der 75-Jährige, der Zeit seines Lebens viel unterwegs war. Man müsse die Dinge probieren, wie sie funktionieren könnten. Was hat Maria von ihrem Elternhaus mitgenommen? „Das Denken in Lösungen. Zu Hause ist alles selbst gemacht worden. Es hat nichts gegeben, was der Opa nicht hat reparieren können.“ Manchmal überfordere sie mit dem in Lösungen Denken auch ihre Umwelt. Maria schätzt, dass man sie hat lernen lassen. „Es hat nie geheißen, geh weg, das kannst du nicht.“

Die Mutti habe geschaut, dass sie in der Schule gut gelernt hätten. „Und sie haben arbeiten müssen. Sie müssen wissen, woher sie kommen“, ergänzt die Mama. Jede habe melken müssen, jede habe den C-Führerschein gemacht. Maria: „Die Devise war immer, wenn wir etwas machen, dann machen wir es ordentlich.“