Neonazi als Facebook-Freund
Von Jürgen Pachner
Für viel Empörung sorgte Anfang September die Enthüllung, dass zwei FPÖ-Funktionäre aus Desselbrunn nach wie vor auf Facebook mit drei führenden Aktivisten des kriminellen Neonazi-Netzwerks „Objekt 21“ befreundet waren. Verfassungsschutz und Justiz ermitteln seit Monaten gegen das verdächtige Trio (den in U-Haft sitzenden Ex-Obmann Manuel S., den Ex-Schriftführer Bernd H. und Ex-Obmann-Stellvertreter Alexander M).
FPÖ-Landesparteisekretär Gert Bachmann stellte sich damals schützend vor die Funktionäre: „Sie kannten sie nur vom Fortgehen und haben von strafrechtlichen Verwicklungen nichts geahnt.“ Die Facebook-Freundschaft wurde mittlerweile beendet.
Wie der KURIER nun herausfand, waren die beiden Freiheitlichen nicht die einzigen Lokalfunktionäre in Desselbrunn, die amikale Internet-Kontakte zu hochrangigen Objekt-21-Mitgliedern beibehielten. Bis gestern, Mittwoch, etwa hatten der SPÖ-Ersatzgemeinderat Johannes R. und sein ÖVP-Kollege Michael H. noch den Ex-Schriftführer Bernd H. auf ihrer Freundschaftsliste.
Afrikanischer Vater
„Das ist untragbar und indiskutabel“, kritisiert Robert Eiter, Sprecher des oö. Netzwerks gegen Rechtsextremismus. Er verweist darauf, dass es spätestens seit Jänner, als europaweit über die Objekt 21 berichtet worden sei, kein Zweifel mehr über die kriminelle Energie und Gefährlichkeit des Neonazi-Netzwerks herrschen könne. „Man muss ernsthaft hinterfragen, ob die beiden Herren als Gemeindevertreter überhaupt noch tragbar sind.“
SPÖ-Sicherheitssprecher Hermann Krenn ist im KURIER-Gespräch der Ernst der Lage völlig bewusst. „Es geht hier nicht um Leute, die einen Kaugummi-Diebstahl begangen haben; das ist nicht vereinbar mit unseren Werten.“
Krenn knöpfte sich R. am Mittwoch persönlich vor. Seine Einschätzung: „R. ist der Sohn eines Afrikaners und dunkelhäutig. Er hat glaubhaft versichert, dass er mit der braunen Gesinnung nichts am Hut hat und er Bernd H. nur als Nachbarn kennt.“ Die Facebook-Freundschaft sei getilgt. SPÖ-Landesgeschäftsführer Christian Horner kündigt außerdem an, dass alle Desselbrunner SP-Funktionäre nun im Beisein von Eiter speziell sensibilisiert werden sollen.
Auch die ÖVP reagierte prompt: „Michael H. hat übersehen, dass er noch mit Bernd H. befreundet ist. Der Kontakt ist beendet“, sagt VP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer. Der Ersatzgemeinderat hege keine Sympathien für bedenkliches Gedankengut. „Wir wirken auf die Ortsgruppe ein, künftig sorgfältiger vorzugehen.“
Die Reaktionen in Medien und von Vertretern aller Parteien auf offensichtlich zum „Hitlergruß“ nach oben gestreckte Arme während einer FPÖ-Wahlkampfveranstaltung mit Heinz-Christian Strache in Graz waren deutlich.
Auch von der FPÖ selbst: Landesparteichef Gerhard Kurzmann ließ wissen, dass derartige Gesten „furchtbar“ seien und man sich „von der Verherrlichung des NS-Regimes distanziere“. Ein Fotograf der Sozialistischen Jugend machte die Fotos am Montagabend. Sie zeigen ein paar junge Männer in offenbar eindeutiger Haltung. Die SPÖ zeigte den Fall bei der Staatsanwaltschaft an: Es bestehe Verdacht auf NS-Wiederbetätigung. Auch Justiz und Polizei wollen ermitteln.
Gegenbeweis
Am Mittwoch meldete sich allerdings FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky per Aussendung und veröffentlichte auf Youtube eine Videopassage, die das Foto widerlegen soll. Tatsächlich ist dort zu sehen, wie der Betroffene lediglich winkt. Die FPÖ betont nun, dass "jene Personen in einen völlig falschen und rufschädigenden Zusammenhang gebracht" wurden. Die FPÖ will den Fall rechtlich auf Verleumdung, Kreditschädigung und üble Nachrede prüfen lassen.
Anzeige bei der Staatsanwaltschaft
Nach Befragungen des Landesverfassungsschutzes sind am Mittwoch die Ergebnisse der Vernehmungen an die Staatsanwaltschaft Graz weitergeleitet worden. Sprecher Hansjörg Bacher bestätigte den Erhalt der Anzeige der Sozialistischen Jugend (SJ). Nun müssten neun Stunden Videomaterial der Exekutive gesichtet werden. Man bemühe sich, noch vor der Wahl den Sachverhalt aufzuklären.
Bacher erklärte, dass zu jenem Zeitpunkt, an dem laut SJ die "Nazi-Gesten" passiert sein sollen, auf Videos keine Bestätigung der Vorwürfe gefunden werden konnten. Da Zeugen jedoch einschlägige Beobachtungen gemacht haben wollen, solle nun das gesamte Videomaterial der Polizei gesichtet werden. Dies werde wohl ein paar Tage in Anspruch nehmen. Der Sprecher versicherte jedoch, dass man noch vor der Nationalratswahl am Sonntag Klarheit anstrebe.
Die Landespolizeidirektion Steiermark korrigierte indessen die am Dienstag getroffene Aussage, wonach der Menschenrechtsbeirat die FPÖ-Kundgebung am Grazer Hauptplatz mitbeobachtet hatte: Es handelte sich tatsächlich um die Menschenrechtskommission der Volksanwaltschaft.
Der Grüne Gemeinderatsklubobmann Gerhard Wohlfahrt teilte in einer Aussendung mit, dass die Stadt Graz als Menschenrechtsstadt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen könne, "wenn bei Veranstaltungen am Hauptplatz Teilnehmer die Hand zum Hitlergruß heben". Die Grünen wollen im kommenden Gemeinderat die Vorfälle zum Thema machen.