Chronik/Niederösterreich

Zustelldienst: "Hausapotheke kann eine Notlösung sein"

Das KURIER-Interview mit Gerald Bachinger, Sprecher der österreichischen Patientenanwälte, hat eine Debatte um die Zukunft der Hausapotheken in Österreich ausgelöst. Aus seiner Sicht könnten Zustelldienste viele ärztliche Hausapotheken ersetzen. Gleichzeitig seien Hausapotheken auch nicht dazu da, um einen angemessenen Verdienst der Allgemeinmediziner zu sichern. Konkret geht es ihm darum, kostenlose Zustelldienste für gebrechliche, ältere und gehbehinderte Patienten durch öffentliche Apotheken zu verbessern.

Bachinger kann sich genauso wie die Apothekerkammer vorstellen, dass nur mehr in Ausnahmefällen ärztliche Hausapotheken bestehen bleiben – und zwar ausschließlich dort, wo es keine Alternativen gibt. Denn für Bachinger ist klar, dass "nicht Ärzte, sondern Pharmazeuten die Spezialisten für Medikamente sind".

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Seine Aussage stößt den Vertretern der Ärztekammer sauer auf. "Pharmazeuten sind spezialisiert, Medikamente herzustellen. Für die medizinische Verwendung der Medikamente und somit die Verordnung sind ausschließlich die Ärzte spezialisiert, somit legitimiert und auch verantwortlich", betont Christoph Reisner, Präsident der nö. Ärztekammer. Eine große Mehrheit der Österreicher hätte den Wunsch nach einer Medikamentenabgabe direkt beim Arzt. "Ein Patient wird nicht von einem Rezept gesund, sondern von einem geeigneten und möglichst rasch verabreichten Medikament. Das macht die ärztlichen Hausapotheken auf dem Land zur idealen Form der Medikamentendistribution", betont Reisner.

Kooperation

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Martin Hochstöger, Präsident der Apothekerkammer Tirol und zuständig für Hausapotheken in Österreich, sieht das anderes: "Fakt ist, ein Arzt kann nicht Apotheker, und ein Apotheker kein Arzt sein. Die Kooperation funktioniert aber sehr gut." Seiner Ansicht nach hat ein Patient das Recht auf beide Experten, es müsse das Vier-Augen-Prinzip gelten. Hochstöger stellt sich hinter Bachingers Meinung, wenn dieser sagt, dass Ärzte nicht vom pharmazeutischen Nebenjob, sondern "von ihren medizinischen Tätigkeiten leben sollen." Dass Hausapotheken von der Ärztekammer als finanzieller Anreiz genutzt wird, um offene Stellen zu besetzen, greift laut Hochstöger zu kurz. "Es gibt bei uns offene Arztstellen, obwohl die Hausapotheke bestehen bleibt und die Ordination von der Gemeinde neu ausgestattet wurde", erklärt Hochstöger.

Wichtig sei, von Fall zu Fall zu prüfen, welches Versorgungssystem für welche Region am besten ist. "Natürlich gibt es entlegene Regionen, in der die Zustellung und eine Filialapotheke nicht machbar sind. Dann kann die ärztliche Hausapotheke ein Ausweg sein – aber nur eine Notlösung", sagt Hochstöger.

Schon jetzt bieten Apotheker in Wien flächendeckend und in anderen Regionen vereinzelt Zustelldienste an. "Wir sind gerade dabei, die Zustellung durch Apotheker bundesweit verpflichtend zu machen – unabhängig von Hausapotheken. Wir suchen derzeit einen Lösungsansatz", schildert Hochstöger.