Chronik/Niederösterreich

Bis zu 700 Mio. Euro Rekordschäden nach Unwettern + NÖ: Zwölf Orte abgeschnitten

Nach dem verheerenden Hochwasser in Niederösterreich sind am Freitag zwölf Ortschaften bzw. Gebiete weiter nicht oder nur schwer erreichbar gewesen, teilte LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) mit.

68.000 Einsatzkräfte - auch aus allen anderen Bundesländern - seien in den vergangenen Tagen aufgeboten gewesen. "Entspannung ja, Entwarnung nein", betonte Pernkopf. "Deswegen bleiben auch viele Bezirke weiterhin Katastrophengebiet."

219 Objekte mit 424 Personen waren nach wie vor evakuiert. Die Schwerpunkte der Einsätze nach dem Hochwasser lagen unverändert im Tullnerfeld, im Zentralraum und im Pielachtal. Sogar Helfer aus Deutschland waren laut Pernkopf im Land. Sie standen ihrer Partner-Feuerwehr in Böheimkirchen (Bezirk St. Pölten) zur Seite.

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Diese Gebiete sind betroffen

Die nicht oder nur schwer erreichbaren Gebiete waren am Freitag Hofstetten (einzelne Bauernhöfe), Loich, Frankenfels, Markersdorf-Haindorf, Haunoldstein, Wolfsgraben, Traismauer (einzelne Straßenzüge), die Jägerhaussiedlung in Hainburg, Asparn in der Marktgemeinde Langenrohr, die Badesiedlung Donaualtarm in St. Andrä-Wördern, die Siedlungsgebiete entlang des Donauüberschwemmungsgebietes in Klosterneuburg sowie Thal in der Marktgemeinde St. Leonhard am Forst.

Auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verwies darauf, dass "die Lage in vielen betroffenen Gebieten weiter ernst" bleibe. "Wir tasten uns Tag für Tag vor in Richtung Normalität." Mikl-Leitner unterstrich, dass die Schäden gewaltig seien. "Deshalb ist es auch notwendig, dass uns die Europäische Union hilft."

Die Bezirke Amstetten, Hollabrunn, Lilienfeld, Mistelbach, Scheibbs, Wiener Neustadt-Land und Waidhofen a. d. Thaya sind seit Donnerstagabend nicht mehr Katastrophengebiet. Selbiges gilt für die Statutarstädte Krems, Waidhofen a. d. Ybbs und Wiener Neustadt.

Jäger bei Aufräumarbeiten gefordert

Nach dem Hochwasser sind auch die Jäger in Niederösterreich bei Aufräumarbeiten gefordert. "Jagd, Land- und Forstwirtschaft werden in den nächsten Monaten zusammenarbeiten, um gesunde, strukturierte und vielfältige sowie damit auch resiliente Lebensräume (wieder)herzustellen“, betonte Landesjägermeister Josef Pröll in einer Aussendung. 

Nicht nur die Habitate hätten Schaden genommen, sondern auch die Wildtierbestände. In Augebieten sei Schalenwild wie Reh-, Hirsch- und Schwarzwild betroffen.
Welche Folgen das Hochwasser auf die Bestände tatsächlich hat, wird Pröll zufolge erst in den kommenden Tagen nach dem Rückgang des Wassers abschätzbar sein. Dann würden die Jägerinnen und Jäger Bestandsschätzungen durchführen, die gemeinsam mit den Fallwildzählungen in die Bejagungsplanung einfließen und auf den Abschussplan angerechnet werden sollen. Eine weitere Aufgabe sei aktuell die Entsorgung der Wildtierkadaver.

Hochwasser treibt Abfallmengen in die Höhe

Die Überschwemmungen haben zu den üblichen Abfallmengen auch noch das Beseitigen von tonnenweisem Sperrmüll und Bauschutt verursacht. Die österreichischen Entsorgungsbetriebe arbeiten auf Hochtouren, um auch in Krisenzeiten die Sammlung und Verwertung von Abfall zu gewährleisten, so der Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB) am Freitag. Hinzu kommt, dass auch zahlreiche Abfallwirtschaftsbetriebe vom Hochwasser betroffen sind.

Eine der größten Müllverbrennungsanlagen in Österreich, Dürnrohr im Bezirk Tulln, steht etwa unter Wasser. „Die meisten Müllverbrennungsanlagen befinden sich im Norden und Osten Österreichs und stoßen derzeit an ihre Grenzen“, erklärte Gabriele Jüly, Präsidentin des VOEB. Daher müssen auch in Tirol oder Salzburg Abfälle vermehrt zwischengelagert werden, um die Entsorgungssicherheit in allen Gemeinden zu schaffen.

Rekordschäden bis zu 700 Millionen Euro

Die Versicherungsbranche rechnet mit massiven Schadenssummen nach den jüngsten Unwettern in Österreich. Laut Versicherungsverband (VVO) werden Schäden im Wert von bis zu 600 bis 700 Millionen Euro erwartet. 

Im Extremfall könnte sogar die Milliardengrenze durchbrochen werden, teilte der Verband am Freitag mit. Man sei nun vor allem um eine „rasche und unbürokratische Schadensabwicklung“ bemüht.

Zahlen von einzelnen Versicherern der Branche haben das große Ausmaß der Schäden bereits vermuten lassen. Vor einigen Tagen kündigte die Wiener Städtische an, für sich alleine ein Schadensvolumen von bis zu 100 Mio. Euro zu erwarten. Auch die Niederösterreichische Versicherung rechnet mit Rekordschäden von 80 bis 100 Mio. Euro. Niederösterreich hat in Österreich am stärksten unter den Unwettern gelitten.

50 Millionen für natürlichen Hochwasserschutz

Nach den schweren Überflutungen in Österreich mit mehreren Toten stellt das Klimaschutzministerium 50 Millionen Euro zum Ausbau des natürlichen Hochwasserschutzes zur Verfügung. Damit wird die Renaturierung von Flächen entlang von Flüssen und Bächen unterstützt. „Noch steht das Aufräumen in unserem Land im Vordergrund“, teilte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) der APA mit. „Wir wollen aber auch an die Zukunft denken - und vorsorgen.“

„Denn jeder Beitrag, um derartige Katastrophen künftig abzumildern, ist gut. Genau dafür werden wir dieses Budget verwenden“, betonte Gewessler. „Mehr Platz für unsere Gewässer und mehr funktionsfähige Böden bedeuten mehr Schutz vor Hochwasser.“ Das Geld solle über eine außerordentliche Förderrunde des Biodiversitätsfonds vergeben werden. Ihr Ressort werde rasch an das Finanzministerium zur erforderlichen Abstimmung herantreten. Außerdem werde der Biodiversitätsfondskommission ein entsprechender Vorschlag zur Beschlussfassung übermittelt.

Natürliche Flussläufe, intakte Auen und Moore seien ein wichtiger natürlicher Hochwasserschutz. Überall dort, wo Flüsse und Bäche mehr Platz haben und Wasser versickern kann, tragen sie auch zum Schutz von Menschen vor Überschwemmung und Zerstörung bei, hieß es aus dem Klimaschutzministerium. Renaturierungsmaßnahmen, wie etwa im Nationalpark Donau-Auen, hätten gezeigt, wie wichtig Auenlandschaften zur Abfederung von Hochwasser sind.

Die 50 Millionen Euro kommen aus dem Budget des Klimaschutzministeriums, in Anbetracht der Hochwasserereignisse werden sie durch Umschichtungen freigemacht, wurde erläutert. Erste Fördervergaben sind noch in diesem Jahr möglich. Entsprechende Projekte können mit bis zu hundert Prozent gefördert werden. Ihr Dank gehe „an alle Menschen, die helfen oder geholfen haben. Der Zusammenhalt unseres Landes in diesen schweren Zeiten beeindruckt mich zutiefst“, richtete Gewessler zudem aus.