Chronik/Niederösterreich

Unschuldig im Gefängnis

Im Zweifel für den Angeklagten" lautet nicht nur der Titel des Buches, das Franz Ambrosis Geschichte erzählt. Der Grundsatz der Rechtssprechung hat dem 43-jährigen Mödlinger auch eine jahrelange Gefängnisstrafe erspart. Ambrosi hat Mittwochabend Justizgeschichte geschrieben. Nachdem er 2007 wegen des Mordversuchs an seiner Ex-Frau zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war und nach 711 Tagen im Gefängnis eine Wiederaufnahme seines Verfahrens erreicht hatte, wurde er nun mit acht zu null Stimmen der Geschworenen einstimmig freigesprochen (das Urteil ist noch nicht rechtskräftig).
Der KURIER hat Franz Ambrosi zwölf Stunden nach dem Urteil in einem kleinen Vorgarten in Mödling bei Wien getroffen.

KURIER: Herr Ambrosi, zwölf Jahre hätten Sie im Gefängnis verbringen müssen. Jetzt sind Sie ein freier Mann. Wie geht es Ihnen am Tag nach dem Urteil?
Franz Ambrosi:
Ganz ehrlich? Ich kann es noch nicht realisieren. Ich warte darauf, dass die Post kommt und schon wieder eine Ladung vom Gericht dabei ist. Meine Psychologin hat mir aber vorausgesagt, dass das so sein wird.

Sie haben in jener Nacht 2007 zahlreiche Messerstiche in den Rücken abbekommen. Wenn Sie Ihre Ex-Frau nicht umbringen wollten, was ist dann geschehen?
So wie ich es immer vor Gericht gesagt habe. Ich wurde von ihr angegriffen und habe mich nur gewehrt.

Ihre Rechtsvertreterin, Karin Prutsch, hat Strafanzeige gegen Ihre Ex-Frau wegen Mordversuchs und Verleumdung eingebracht. Wünschen Sie ihr das Gefängnis?
Ich würde es mir wünschen, dass sie dieselben leidvollen Erfahrungen macht wie ich und sie das Gleiche erleiden muss.

Was sind Ihre leidvollen Erfahrungen?
Sie meinen außer unschuldig im Gefängnis zu sitzen? Ich wurde wegen des ersten Urteils gegen mich auch schuldig geschieden. Mir wurde daraufhin alles genommen und meiner Frau zugesprochen. Meine Tochter, die gemeinsame Eigentumswohnung, mein Auto, einfach alles, was ich mir in 20 Jahren zuvor erarbeitet hatte. Ich habe nichts mehr und lebe derzeit von der Mindestsicherung. Des­wegen werde ich auch gegen das Scheidungsurteil vor­gehen.

Sie haben Ihre Tochter angesprochen. Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?
Vor besagter Nacht im Jahr 2007. Sie war damals zwölf Jahre alt. Sie ist natürlich von ihrer Mutter beeinflusst worden. Ich hoffe, dass sie sich eines Tages ihr eigenes Bild macht und wieder mit mir spricht.

Demnächst erscheint Ihre Schicksalsgeschichte als Buch. War es schwierig, die Er­lebnisse niederzuschreiben?
Schwierig war, dass ich aus rechtlicher Sicht nicht alles schreiben durfte, was tatsächlich passiert ist.

Zum Beispiel?
Kurz nach meiner Ver­haftung wurde ich einer Richterin vorgeführt, die mich noch nie gesehen hatte. Da waren die Er­hebungen erst ganz frisch. Sie hat gemeint: „Stehlen Sie mir nicht meine Zeit. Geben Sie gleich zu, dass Sie es waren!“ Ich habe nie geglaubt, dass es bei uns wirklich so zugeht

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Verteidigungskosten: Nur ein Bruchteil des Honorars wird ersetzt

Seit dem Prozess gegen 13 Tierschützer, der Ende 2011 nach 14 Monaten mit Freisprüchen geendet hatte, wird wieder heftig über den staatlichen Ersatz der Verteidigungskosten debattiert. Die Summe bestimmt das Gericht, sie darf den gesetzlichen Rahmen von 5000 Euro bei Geschworenen-, 2500 Euro bei Schöffen- und 1250 Euro bei Einzelrichterverfahren nicht überschreiten. Das ist nur ein Bruchteil des Honorars, das ein Strafverteidiger nach Tarif verrechnet. Auch Ambrosi bekommt nur einen kleinen Teil seiner Ausgaben für seine Verteidigung zurück.

Im Tierschützer-Prozess musste jeder Angeklagte rund 400.000 Euro an Verfahrenskosten aufbringen, 1250 Euro wurden ersetzt.

SPÖ-Konsumentenschutzsprecher Johann Maier übergab damals Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eine Petition, in der eine Gesetzesreform gefordert wird. Justizministerin Beatrix Karl sagt, dass ein vollständiger Ersatz der Verteidigungs­kosten das Justizbudget sprengen würde, doch es werde über eine gesetzliche Erhöhung der Maximalbeträge nachgedacht.