Chronik/Niederösterreich

Tote und Regenrekord im Katastrophen-Juli

Er hat einem immer geholfen, der Gerhard. Und blitzgescheit war er." Erwin Resch ist geschockt über den Tod seines Nachbars, Trafikant Gerhard W. Nach dem heftigen Unwetter, das Samstagabend in Pöchlarn, NÖ, auf die Gäste des Mittelalterfestes im Schlosspark traf, nimmt das Drama um das Fest ein immer größeres Ausmaß an. Samstagabend mussten 13 Verletzte – vier davon schwer verletzt und zwei in Lebensgefahr schwebend – in die Spitäler gebracht werden. Der kräftige Ast eines Baumes war umgeknickt und auf ein Zelt gefallen, in dem sich die Festgäste untergestellt hatten (der KURIER berichtete) .

Trafikant Gerhard W. erlitt dabei schwere Kopfverletzung. Sonntagvormittag starb er im Krankenhaus. Für seine Familie ist das nicht der erste schwere Schicksalsschlag. Vor zwei Jahren starb W.s Frau Sylvia ganz plötzlich an einem Herzinfarkt. Der siebenjährige Sohn des Trafikanten wurde beim Unwetter am Samstag schwer verletzt und liegt noch im Krankenhaus.

Nachbar Erwin Resch ist geschockt: "Das muss man sich einmal vorstellen. Erst stirbt die Mutter von dem Buben und zwei Jahre später auch der Papa. Das ist furchtbar. Wir haben einen Freund verloren." Auch der Veranstalter des Festes, Mirko K., erlitt schwerste Verletzungen. Am Sonntag schwebte er in Lebensgefahr.

Der Tag danach

In Pöchlarn ist am Sonntag das Unglück beim Mittelalterfestes das Stadtgespräch. Die Menschen sind schockiert, einige Schaulustige haben sich vor dem Schlosspark eingefunden. Dass von vielen Seiten schon wieder ein "Schuldiger" gesucht wird, geht Festbesucherin Margit Macsek nicht ein. "Es ist so schnell gegangen. Es wäre unmöglich gewesen, das Gelände zu evakuieren."

Auch am Unglücksort ist die Stimmung gedrückt. Die letzten Standler sind mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Über das Unglück will kaum jemand sprechen. Nur so viel: "Die Mittelalter-Gemeinde ist zutiefst traurig."

Vorwürfe, wonach der Veranstalter möglicherweise zu spät auf das Unwetter reagiert habe, will dort niemand gelten lassen. Gregor Fellner war am Fest mit einem Buchstand vertreten: "Damit konnte man einfach nicht rechnen." Und: "Es gab eine Unwetterwarnung von Seiten des Veranstalters. Der Marktsprecher hat sie durchgesagt. Wir haben dann alle gepackt, aber auf einmal ist der Sturm gekommen." Die Einsatzkräfte haben laut Fellner "vorbildlich" reagiert: "Sie waren sofort da."

Anton Tiefenbacher von der Polizei in Pöchlarn spricht von einem "sehr kurzen Zeitfenster", das den Besuchern zur Flucht vor dem Unwetter blieb. "Auch die Stärke des Gewitters war sehr heftig und nicht üblich für diese Gegend", sagt Tiefenbacher.

Ein Bericht an die Staatsanwaltschaft wurde bereits versandt. Der Schlosspark war am Sonntag abgeriegelt. Wie lange die Sperre bestehen bleibt, ist noch nicht abzusehen: "Das ist ein Tatort. Die Sperre wird von der Staatsanwaltschaft aufgehoben", sagt Tiefenbacher.

Lob gibt es für das Notquartier samt Verpflegung und Betreuung. Das hätte, so Marktstandler Fellner, "nicht besser sein können". Laut Bürgermeister Alfred Bergner haben etwa 100 Standler die Notschlafstelle in Anspruch genommen. Am Sonntag wurden sie von ihm zum Frühstück eingeladen.

Nachgefragt: "Im ärgsten Traum unvorstellbar"

Hätte das Gelände geräumt werden sollen? Pöchlarns Stadtchef Alfred Bergner im Gespräch.

KURIER: Es wurde vor heftigen Unwettern gewarnt. Warum hat man nicht abgebrochen?

Alfred Bergner: Nichts deutete punktuell für Pöchlarn auf so Verheerendes hin. Da hätte man die ganze Stadt sperren und Katastrophenalarm geben müssen, weil ja in den Straßen auch Bäume umgestürzt sind. Ja, im ganzen Mostviertel hätten Veranstaltungen abgebrochen werden müssen. 20 Minuten vor dem Unglück wurden die Leute darauf hingewiesen, dass ein Unwetter kommt und sie aufpassen sollen.

Haben Sie sich jetzt persönlich etwas vorzuwerfen?

Es gibt so etwas, das man sich in den schlimmsten Träumen nicht vorstellen möchte. Genau das ist bei uns passiert. Es ist müßig, zu diskutieren, was gewesen wäre, wenn. Man kann das Geschehene dadurch leider nicht ungeschehen machen. Wahrscheinlich werden wir in Zukunft bei jeder Unwetterwarnung alles dicht machen müssen.

Die umgestürzten Bäume waren in gutem Zustand?

Sie werden regelmäßig von einer Fachfirma untersucht. Ganz besonders im Schlosspark, weil dieser ein Naturdenkmal ist.