Tödliches Kran-Unglück in NÖ: Vier Männer schuldig gesprochen
Von Patrick Wammerl
Olaf B. hatte keinerlei Überlebenschance. Der deutsche Lkw-Chauffeur hielt im Sattelschlepper gerade seine Mittagspause, als der tonnenschwere Kran auf das Führerhaus stürzte und alles darunter liegende zermalmte. Offenes Schädel-Hirn-Trauma, Atem- und Hirnlähmung – er war auf der Stelle tot.
Das tödliche Unglück vom 11. April 2023 auf einem Firmenareal im Industriegebiet von Münchendorf (Bezirk Mödling) hatte Monate nach dem Vorfall ein gerichtliches Nachspiel. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hatte gegen fünf Männer – den Kranführer, einen Lagerleiter, zwei Monteure und deren Vorgesetzten – einen Strafantrag wegen fahrlässiger Tötung eingebracht.
Wie das Verfahren am Bezirksgericht Mödling diese Woche ans Tageslicht brachte, waren kurz vor dem tödlichen Unfall Umbauarbeiten an dem Turmdrehkran vorgenommen worden. "Drei Monate zuvor wurden die Schienen, auf dem der Kran fährt, gekürzt“, erklärt Rechtsanwalt Johannes Stephan Schriefl, der beim Prozess den Lagerleiter vertrat.
Gutachten erstellt
Das Unternehmen benötigte mehr Lagerfläche, weshalb die Schienen im Weg waren und gekürzt wurden.
Zwei Monteure, die den Auftrag zur Kürzung der Schienen erhielten, sollen nach dem Ende der Arbeiten die erforderlichen Stopper (Endanschläge) am Schienenende nicht montiert haben, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Die Anklagebehörde hatte über den genauen technischen Zustand des Drehkrans zum Unglückszeitpunkt ein Gutachten erstellen lassen.
Der Turmdrehkran wurde am Unglückstag vom Kranführer vom Boden aus ferngesteuert. Der Mitarbeiter am Bedienpult hatte es laut Staatsanwaltschaft verabsäumt, vor der Arbeit einen Kontrollgang durchzuführen. Eine "Sichtprüfung“ sei nicht erfolgt, sonst hätte er den fehlenden Schienenstopp erkennen müssen, lautet der Vorwurf. Außerdem soll der Kranführer beim Dirigieren keine freie Sicht auf die Anlage und auch keinen Einweiser oder Helfer gehabt haben.
Über Schienenende hinaus gefahren
Der Kran fuhr über das Schienenende hinaus, kippte um und begrub den Lastwagen mit Olaf B. unter sich. Die Beteiligten sollen es nach der Kürzung der Schienen außerdem unterlassen haben, den Kranführer über die erfolgten Umbauten zu informieren.
Ein Freispruch
"Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Der Lastwagen hielt genau im Gefahrenbereich, in dem er eigentlich nicht stehen hätte sollen“, sagt Anwalt Johannes Stephan Schriefl. Sein Mandant, der Lagerleiter, wurde als einziger der fünf Protagonisten freigesprochen. Die Veränderungen an dem Turmdrehkran lagen nicht in dessen Verantwortungsbereich.
Die vier anderen Männer wurden wegen fahrlässiger Tötung zu drei Monaten bedingter Haft mit einer Probezeit auf drei Jahre verurteilt. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.
Gelddruckmaschine für Südamerika
Neben der menschlichen Tragödie durch den Tod des deutschen Lkw-Chauffeurs hat das Unglück auch einen enormen materiellen bzw. finanziellen Schaden verursacht. Im Lastwagen war eine für den südamerikanischen Finanzmarkt bestimmte Gelddruckmaschine. Es sei zu einer langen Lieferverzögerung gekommen.