Chronik/Niederösterreich

Sohn als Geisel in Gaza: "Ich hoffe, die Welt vergisst ihn nicht"

„Sie sind ein sehr tapferer Mann“ – „Nein, ich bin nur ein Vater“. Gilad Korngold ist im Gespräch bei einem Besuch im Stift Klosterneuburg sehr höflich, freundlich, doch jedes Mal, wenn er den Namen seines Sohnes nennt, huscht ein Schatten über sein Gesicht. 

Sein Sohn ist Tal Shoham, der sich seit dem 7. Oktober 2023 in Geiselhaft in Gaza befindet. Auch dessen Frau und die Kinder, der achtjährige Naveh und die vierjährige Yahel sowie weitere Familienmitglieder wurden damals verschleppt. Mutter und Kinder kamen nach 50 Tagen im Zuge eines Geiseldeals frei, vom 39-Jährigen Vater gibt es seit damals kein Lebenszeichen mehr. Andere Familienmitglieder sind gestorben.

„Bin überzeugt, dass er lebt“

Tal Shoham ist, wie auch sein Vater, österreichischer Staatsbürger, „meine Mutter ist 1933 in Wien geboren worden“, erzählt Gilad Korngold. Auch deshalb war man nun in Österreich, um auf das Schicksal von Tal und auf das der anderen israelischen Geiseln aufmerksam zu machen.

„Wir tun alles, was wir können. Reden mit so vielen Leuten wie wir können, ich gebe auch Interviews im Radio, vielleicht kann Tal sie hören. Ich sage ihm, dass wir bald bei ihm sind“, ist Gilad Korngold überzeugt, dass sein Sohn noch am Leben ist. „Es wäre ja sinnlos, ihn zu ermorden. Die Hamas braucht die Geiseln“, sagt er, um dann leise hinzuzufügen: „Es ist erschreckend.“

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In Wien hat die Familie im Parlament, im Bundeskanzleramt und im Außenministerium auf ihre Sache aufmerksam gemacht. Man fühle sich verstanden und unterstützt. „Ich vertraue Österreich, mehr als meiner Regierung“, sagt Korngold. Im Zuge der Österreichreise besuchte man auch das Stift Klosterneuburg. „Vielleicht kann die Religion eine Lösung finden. Die drei Religionen sollten zusammenkommen und das beenden“, hofft Korngold.

Propst Anton Höslinger zeigte sich von den Schilderungen der Angehörigen tief bewegt. „Wir können uns gar nicht vorstellen, was diese Menschen durchmachen müssen. Die Mittel des Stifts bzw. der Kirche sind begrenzt, aber wir wollen ihnen beistehen und mithelfen, dass das Anliegen der Befreiung der Geiseln in der Öffentlichkeit präsent bleibt und dadurch konkrete Schritte unternommen werden“.

„Kinder sahen alles“

Während ihr Großvater mit den Chorherren spricht, malt die vierjährige Yahel. In Israel wohnen sie derzeit im Hotel, erzählt Gilad Korngold. Versuchen, den Kindern eine Art Normalität zurückzugeben. „Es ist sehr schwierig“, sagt Korngold. „Die Kinder haben alles gesehen, die Toten, die brennenden Häuser, die Vergewaltigungen. Sie wissen genau, was mit ihrem Vater ist, wo er ist. Und sie brauchen ihn.“

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Brief an den Papst

Der achtjährige Naveh – Korngolds Enkel und Tals Sohn – schrieb auch einen Brief an Papst Franziskus: „Ich hoffe, die Welt vergisst nicht, dass er immer noch gefangen ist.“ Und Naveh erzählt in dem Brief weiter: „Wir haben einen kleinen Tisch in unserem Haus, den wir unseren ,Tisch der Hoffnung‘ nennen. Hier zünden wir Kerzen an und beten für das Wohl und die Freilassung unseres Vaters.“

Papst Franziskus hat dem Achtjährigen nun geantwortet. Er sei von seinem Brief tief bewegt und bete mit ihm und seiner Familie für die Verstorbenen und dafür, dass er seinen Vater bald wieder in die Arme schließen könne. „Ja, du hast recht, wenn du schreibst, dass es besser wäre, zusammen Fußball zu spielen, als aufeinander zu schießen. Du bist noch jung, aber deine Worte sind sehr weise. Ich wünschte, dass die Großen und Mächtigen dieser Welt so denken würden wie du“. 

Gilad Korngold wird weiter auf das Schicksal seines Sohnes aufmerksam machen. „Ich bin müde, aber ich habe keine andere Möglichkeit. Ich muss weitermachen, bis Tal zurückkommt. Er ist so wichtig für uns.“