Chronik/Niederösterreich

Steinböcke zerstören den Lebensraum

Die Experten sind alle derselben Meinung: Die explosionsartig angewachsene Steinbock-Kolonie auf der Hohen Wand gehört rasch dezimiert. Das seit dem Jahr 2008 laufende Steinwild-Monitoring hat ergeben, dass die für den Lebensraum artfremden Tiere massiven ökologischen Schaden anrichten. „Wenn man das Natura-2000-Gebiet retten möchte, dann kann die Lösung keine Sanfte sein“, erklärt der für das Monitoring verantwortliche Wildökologe, Martin Forstner. Der Experte empfiehlt ein drastische Reduktion der Tiere durch Abschuss oder Lebendfang von derzeit rund 75 auf maximal 20 Stück.

Ausbruch

Zur Vorgeschichte: Der Alpensteinbock (lat. Capra Ibex) gehört – wie der Name schon sagt – in die hochalpinen Regionen der Alpen. Durch ein Missgeschick, bei dem in den späten 1980er-Jahren mehrere Stück aus einem Gatter ausgebrochen sind, hat sich eine Kolonie auf der Hohen Wand angesiedelt und rasend schnell vermehrt. Während die Behörde offiziell von 75 Stück spricht, meint die zuständige Jägerschaft, dass es bereits weit mehr als 100 Tiere sind. Daran hat auch der Abschussbescheid für neun Tiere im Jahr 2011 und zwölf Exemplare im Vorjahr nichts geändert. Bei einem von nö. Umweltanwalt Harald Rossmann einberufenen Steinbockgipfel in Zweiersdorf an der Hohen Wand, wurde die Zukunft der Tiere gestern eifrigst diskutiert.

Forstner und der ökologische Sachverständige, Andreas Traxler, präsentierten ihre Gutachten aus denen eines klar heraus kommt. Wird der Bestand der Steinböcke nicht rasch gesenkt, ist es um die Flora & Fauna sowie die Artenvielfalt in dem Schutzgebiet schlecht bestellt. Der Verbiss durch die Tiere sei so stark, dass sich Pflanzen nicht mehr vermehren. Die Bodenerosion habe ein gefährliches Ausmaß erreicht, außerdem haben die Tiere dem Schutzwald durch Verbissschäden arg zugesetzt.

Schwitzen

Ganz zu schweigen davon, dass die Tiere in einer Höhe von 400 bis 1000 Metern Seehöhe nicht heimisch sind. Sie leben sonst in deutlich höheren und somit kälteren Regionen. „Steinböcke können nicht schwitzen. Dennoch schaffen sie es im Schweiße ihren Angesichts sich weiter zu vermehren“, sagt Forstner. Die Tiere leben außerdem auf viel zu engem Raum. Die Steinböcke teilen sich auf der Hohen Wand 170 bis 200 Hektar mit etwa 50 Stück Gamswild. „Das sind 73 bis 87 Stück auf 100 Hektar. Normalerweise sollten es auf dieser Fläche nicht mehr als 20 sein“, so die Experten.

Laut den Gutachtern gäbe es für die Angelegenheit nur zwei Lösungen: Den Abschuss und eine deutliche Reduktion oder deren Absiedlung in hochalpine Regionen. Der Verein gegen Tierfabriken unter Obmann Martin Balluch kämpft für den Erhalt der Tiere und hat für den Fall einer Umsiedlung finanzielle Unterstützung des Vereins zugesagt. Allerdings bedarf diese Maßnahme der Zustimmung aller Grundeigentümer und Jagdausübenden. Ein Salzburger Revier hätte bereits Interesse an den (lebenden) Steinböcken bekundet. Denkbar ist daher auch eine Variante aus Abschüssen und eine weitere Dezimierung durch Absiedlung.

Die Behörde, in dem Fall die Bezirkshauptmannschaften Wr. Neustadt und Neunkirchen, müssen sich jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Frist bis Ende April auf eine Abschussquote für das heurige Jahr einigen. „Wir wissen, worauf wir aufpassen müssen“, so Wr. Neustadts Bezirkshauptmann Andreas Strobl. Dem Vernehmen nach könnte der Abschussbescheid auf 26 Tiere lauten.