Chronik/Niederösterreich

St. Pölten: 6300 Euro für 315 Tage in der Gefängniszelle

Zwei Männer, die vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurden, forderten Haftentschädigung ein. Nach langem Warten floss Geld. Amit S. (Name geändert, Anm.) lebt seit einigen Monaten in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans. Dorthin wurde er gebracht, nachdem er aus Österreich abgeschoben wurde.

Zuvor war der 19-Jährige Hauptfigur in einem Prozess, der österreichweit für heftige Diskussionen und Schlagzeilen sorgte. Der Vorwurf damals: S. soll mit einem Gleichaltrigen aus Somalia ein 15-jähriges Mädchen in Tulln vergewaltigt haben.

Doch es gab viele Widersprüche in dem Fall, der sich in der Nähe eines Flüchtlingsheimes abgespielt haben soll. Ein Schöffensenat sprach die beiden Angeklagten, die immer von einvernehmlichen Sex sprachen, schließlich im Zweifel frei, auch die Staatswaltschaft führte schließlich keine Rechtsmittel mehr aus.

Bevor er von aller Schuld freigesprochen wurde, saß S. allerdings genau 315 Tage in St. Pölten in Untersuchungshaft.

Seine Anwältin Andrea Schmidt forderte Haftentschädigung ein, nach Monaten bekam er nun den Betrag überwiesen. Etwas mehr als 6300 Euro zahlte die Republik Österreich dem Afghanen und orientierte sich dabei auf den rechtlich möglichen Mindestbetrag von 20 Euro. Möglich gewesen wäre ein Tagessatz bis 50 Euro. „Wir haben diese Entscheidung aber angenommen“, sagt Schmidt.

Weitere Vorwürfe

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Der damals Mitangeklagte muss auf die Haftentschädigung noch warten. Das liegt auch daran, weil sich der Somalier mit weiteren Vorwürfen konfrontiert sah. Er soll in der Haft einen Mitinsassen sexuell belästigt haben.

„Die Vorwürfe lösten sich allerdings in Luft auf. Das angebliche Opfer, das in den Gerichtssaal vorgeführt werden musste, hatte meinen Mandanten noch nie gesehen“, betont Valentina Murr, die Anwältin des Mannes, der sich noch in Österreich befindet. Er muss derzeit auch keine Abschiebung fürchten.

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