Chronik/Niederösterreich

Schlepper-Prozess: Angeklagte sind nur "kleine Rädchen"

Glaubt man einigen Medien, dann betreten soeben millionenschwere und beinharte Schlepperbosse den Schwurgerichtssaal in Wr. Neustadt. Doch die acht Männer im Alter von 19 bis 39 Jahren aus Pakistan, Indien und Afghanistan, die sich seit Montag wegen gewerbsmäßiger Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung ver-antworten müssen, sind das genaue Gegenteil: Sie leben als (Zeitungs-)Zusteller von der Hand in den Mund. Auf die Frage, wie es ums Geld stehe, antwortet einer: "Voll leer."

Schon am ersten von 14 Prozesstagen zeigte sich, dass es hier um mehr als um die Vorwürfe geht. Das ergibt sich aus der Vorgeschichte: Denn vier der acht Angeklagten stammen aus der Flüchtlingsbewegung, die im Servitenkloster wohnte. Just als acht der Flüchtlinge abgeschoben wurden, vollendete – mitten im Vorwahlkampf – die Polizei ihren Schlag gegen "organisierte Schlepper".

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Die Anklage zeigt, wie maßlos Medien und Polizei übertrieben haben. Millionen-Erträge? Auf Routen zurückgelassene Schwangere? Nichts davon findet sich im Strafantrag von Gunda Ebhart. Vieles in ihrem Vortrag blieb Theorie: Vermutlich wurde über die "Balkan-Route" geschleppt. Der Schlepper-Boss in Islamabad blieb eine abstrakte Figur. Eine Zahl, wie viele Geschleppte es gab, blieb sie schuldig.

Es habe aber eine "durchgeplante Tatbegehung" gegeben. Aus 4000 abgehörten Telefonaten blieben "kleine Rädchen in viel größeren Netzwerken" über – die acht Angeklagten. Ihnen legt man zur Last, zumeist Pakistani in Ungarn abgeholt, deren Weitertransport oder ihnen ein Nachtquartiere organisiert zu haben. Per Zug, Pkw oder über eine Mitfahr-Börse im Internet. Ein Schlafplatz war angeblich das Servitenkloster. Für ihren Sager, es gehe "gegen Schlepper und nicht gegen Flüchtlinge", erntete Ebhart in dem von Aktivisten gefüllten Saal Protestrufe.

"Themenverfehlung"

Die Replik der Verteidiger ging über den Strafantrag hinaus. Lennart Binder sieht den Schlepperei-Paragrafen unvereinbar mit dem Recht auf Asyl. "Das ist ohne Schlepper nicht umzusetzen." Das Verfahren nannte er politisch motiviert und eine "Themenverfehlung". Die Vorwürfe würden nach "Freundschaftsdiensten" aussehen, denn "Entgelt gab es keines".

Anwalt Stefan Traxler warf der Polizei "schlampige oder bewusst falsche" Arbeit vor. "Vor uns sitzen kleine Fische, wenn überhaupt." Wenn etwas übrig blieb, waren es 30 Euro, hieß es.

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Einvernommen wurde ein Angeklagter, 24, der bei zwei Weiterfahrten geholfen hat. Er belastete den Fünftangeklagten. Wirbel gab es rund um die Dolmetscherin für die Sprache Dari, die sowohl für die Polizei als auch nun bei Gericht übersetzt hat. In den Protokollen setzte sie das Wort Leute mit Schleppungswilligen gleich. Die Anwälte wollen sie als Zeugin hören.

Einigen Angeklagten war gar nicht klar, dass ihre Dienste illegal sein könnten. Einer verantwortete sich schuldig, drei teilweise schuldig, vier stritten alles ab. Ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Fortsetzung: Mittwoch.