Chronik/Niederösterreich/Sankt Pölten

Fußfessel statt U-Haft: Wenn das eigene Haus zum Gefängnis wird

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366 Personen befinden sich derzeit im elektronisch überwachten Hausarrest. Diese Zahl könnte in den kommenden Jahren allerdings noch deutlich steigen. Justizministerin Alma Zadić, die kürzlich ihre Pläne zur Reform des Strafvollzugs präsentiert hat, will verstärkt auf die Fußfessel setzen. Derzeit kann eine Fußfessel nur dann beantragt werden, wenn die (Rest)-Strafe 12 Monate nicht übersteigt. Geht es nach der Ministerin, dann soll diese Möglichkeit auf 24 Monate ausgeweitet werden.

"Gefängnis führt zu Desozialisierung"

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass sich unter den 366 Fußfessel-Trägern derzeit nur drei Untersuchungshäftlinge befinden. Das hat einen Grund: Denn laut der St. Pöltner Strafverteidigerin Mercedes Vollmann-Schultes wissen derzeit nur sehr wenige von dieser Möglichkeit.

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Vollmann-Schultes konnte erst vor kurzem einem Mandanten diese Möglichkeit eröffnen. "Seine Chancen, sich in seinem sozialen und beruflichen Umfeld zu bewähren und sich wieder zurechtzufinden, sind damit bei weitem höher als unter den sonst üblichen Haftbedingungen. Dass das Gefängnis vielmehr zur Desozialisierung führt, zeigen die hohen Rückfallquoten", sagt sie.

Und: "Die Voraussetzungen dafür sind mitunter leichter zu erfüllen als jene im Strafvollzug: so bedarf es lediglich eines Antrags durch den Beschuldigten, einer geeigneten Beschäftigung und Unterkunft sowie der Unanwendbarkeit anderer gelinderer Mittel. Ein ausreichendes Einkommen, der Kranken- und Unfallversicherungsschutz sowie ein täglicher Kostenbeitrag entfallen – im Gegensatz zum Antrag auf Fußfessel im Strafvollzug", berichtet die Anwältin.

Durch den Entfall des Nachweises eines ausreichenden Einkommens kann der Beschuldigte auch einer unentgeltlichen Beschäftigung nachgehen, zum Beispiel einer Ausbildung, der Kinderbetreuung, gemeinnütziger Arbeit oder einer vergleichbaren, der Wiedereingliederung dienenden Tätigkeit.

 

 

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